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Konjunkturprogramm
1975 – Peter-Paul Zahl aus „Die Barbaren kommen. Lyrik und Prosa“

  • Du siehst so bedruckt aus, sagt Paul M. Was ist denn los mit dir?
  • Ich habe geerbt, sage ich.
  • Viel?
  • Nein, sage ich, nur von Tante Frieda. Sie hatte ein Schuhgeschäft.
  • Und so’n kleines Erbe bedrückt dich?
  • Und ob! sage ich. Was anfangen mit dem Geld? Wie es anlegen, bei der Inflation heutzutage? Aufs Sparbuch? Aktien kaufen? Und wenn ja, welche? Bundesanleihen? Gold, Diamanten? Investmentfond? Lebensversicherung? Bausparvertrag? Ich weiß es wirklich nicht.
  • Du hast Sorgen, sagt Paul M. Leg’s doch in Negerküssen an.
  • In Negerküssen?
  • Ja.
  • Diesen ... süßen Nichtsen für eine Groschen das Stück?
  • Genau, sagt Paul M.
  • Du spinnst, sage ich.
  • Ach was, sagt Paul M. Schau, ein Kasten Negerküsse enthält fünfundzwanzig Stuck. Richtig?
  • Richtig.
  • Ein Kasten Negerküsse kostet zurzeit zwei Mark fünfzig?
  • Richtig.
  • Nun hör zu, sagt Paul M. In Westberlin kauften ein paar junge Leute zwei Kästen Negerküsse. Das Stück für zwei Mark fünfzig. Mit einem gingen sie in eine Bank – und erhielten 100 000 Mark für ihn.
  • Bist du blöd?
  • O nein, sagt Paul M. Den jungen Leuten muss es auch komisch vorgekommen sein, denn am nächsten Tag gingen sie mit dem zweiten Kasten Negerküsse in eine andere Bank. Diesmal erhielten sie wieder 100 000 Mark. Dazu 300 Euroschecks. Darum, zögere nicht, lege jeden Pfennig, den du hast, in Negerküssen an!