Materialien
Chronologische Eckdaten
Aus „Die Bewegung 2. Juni“ (Edition ID-Archiv)


Die 60er Jahre

Die Befreiungs- und Unabhängigkeitskämpfe in verschiedenen Ländern und der Kampf gegen den Kolonialismus beeinflussen die Entstehung der Neuen Linken in der BRD und bilden auch den Background vieler Diskussionen der Linken in Westeuropa. In den USA, Frankreich und der BRD entstehen Anti-Vietnamkriegsbewegung und der StudentInnenbewegungen unter starker Bezugnahme auf die Frankfurter Schule (Markuse, Horkheimer), die Beatniks und den französischen Existenzialismus (Sartre unter anderen). In den USA entsteht zudem die Hippie-Bewegung (Blumenkinder). Zunächst ohne politischen Anspruch haben die AussteigerInnen aus den gesellschaftlichen Zwängen eine große kulturelle Bedeutung. Unter dem Eindruck starker Repression politisiert sich die Bewegung in den USA.

In der BRD entsteht dem vergleichbar die Gammler-Bewegung. Eine Menge Leute steigen aus Schule, Lehre, Lohnarbeit, den Zwängen des Elternhauses und dem gesellschaftlichen Mief aus. Sie leben auf der Straße oder sind auf Trebe, Trampen durch ferne Länder und entwickeln neue Ziele und Träume des Zusammenlebens. Später löst sich die Bewegung wieder auf und zerfällt in die Landkommune-Bewegung, den Hippietrail nach Indien, Reangepasstheit nach einer Jugendsünde und Wiederaufnahme des abgebrochenen Studiums. Einige jedoch fangen an, sich stärker politisch zu organisieren. Anfang bis Mitte der 60er Jahre entsteht in den USA auch eine starke Schwarzen-Bewegung gegen die rassistische Diskriminierung. Es kommt zu schweren Auseinandersetzungen, insbesondere zu Revolten der schwarzen Jugendlichen in den Ghettos: 1961 Alabama, 1964 Harlem, 1965 Watts (Los Angeles), 1966 Chicago, 1967 Newark und Detroit. 1968 gibt es in vielen amerikanischen Städten Aufstände.

1966 gründen Huey Newton und Bobby Seale die Black Panther Party for Self-Defense. Als Antwort auf die erfolglose Bürgerrechtsbewegung, kommt es zum ersten offenen Bruch mit dem Prinzip der Gewaltfreiheit. In Oakland beginnen die Black Panther mit bewaffneten Patrouillen zum Schutz der schwarzen Bevölkerung vor Polizeiterror; darüber hinaus organisieren sie soziale Maßnahmen wie Kinderspeisung, Schulen, medizinische Versorgung.

In Uruguay gründen sich in den 60er Jahren die MLN-Tupamaros, deren Stadtguerilla-Politik die Auseinandersetzung in der sich entwickelnden militanten Linken in der BRD beeinflusst.

Anfang der 60er Jahre entsenden die USA unter Präsident John F. Kennedy Militärberater nach Südvietnam. Im April 1962 pferchen US-Soldaten zum ersten Mal die südvietnamesische Zivilbevölkerung in so genannten Strategischen Dörfern zusammen, um dem Vietcong die Basis zu entziehen.

20. Dezember 1960
Gründung der Nationalen Befreiungsfront (FNL, Vietkong) in Südvietnam.

15. April 1961
Invasion der USA auf Kuba. B-26 Bomber fliegen am 15. April einen Angriff gegen die kubanische Luftwaffe und vernichten diese. Am 16. April landen bei der Playa Giron (Schweinebucht) 1 500 von der CIA ausgebildete und bewaffnete exilkubanische Söldner. Nach drei Tagen sind die Invasoren von kubanischen Frauen und Männern vernichtend geschlagen.

20. Juni 1962
In München finden die sog. Schwabinger Krawalle statt: Jugendliche liefern sich mit der Polizei Straßenschlachten.

14. bis 28. Oktober 1962
Kuba-Krise. Als amerikanische Aufklärer sowjetische Anlagen zum Abschussrampenbau für Mittelstreckenraketen auf Kuba entdecken, reagiert Kennedy mit einer Wirtschaftsblockade (Seeblockade). Chruschtschow (UDSSR) antwortet: Wenn Ihr Kuba nehmt, nehmen wir Berlin. Die Konfrontation zwischen den USA und der Sowjetunion führt dicht an den 3. Weltkrieg heran.

Juni 1963
US-Präsident John F. Kennedy ist zu Besuch in Berlin. 300 000 Menschen sind vor dem Rathaus Schöneberg auf den Straßen und lauschen seinen Worten Ich bin ein Berliner!. Es gibt eine der ersten Flugblattaktionen gegen den Besuch von Kennedy und die Kriegspolitik der USA in Vietnam.

22. November 1963
US-Präsident Kennedy wird ermordet.

1964
Che Guevara sagt zu nordamerikanischen StudentInnen, die Kuba besuchen: Ich beneide Euch. Ihr Nordamerikaner könnt sehr glücklich sein. Ihr kämpft den wichtigsten Kampf von allen Ihr lebt im Herzen der Bestie.

Dezember 1964
Die Berliner und die Münchner Sektion des SDS verfassen gemeinsam ein Flugblatt zum Tschombé-Besuch in Berlin. Tschombé ist seit dem 10. Juli 1964 Ministerpräsident des Kongo, später Zaire. Nach der Ermordung von Lumumba (am 12. Februar 1961) errichtete er eine Diktatur als Handlanger der Nordamerikaner. Anlässlich des Besuches von Tschombé kommt es zu Auseinandersetzungen mit der Polizei. Anfang der antiautoritären Studenten- und Jugendbewegung in Berlin.

21. Februar 1965
In Harlem (USA) wird Malcom X, Führer der militanten Schwarzen-Bewegung, ermordet.

4. August 1965
1000 Luftangriffe der USA auf Ziele in Nordvietnam.

14. September 1965
Auf der Berliner Waldbühne findet das Rolling Stones Konzert statt: 400 000 Mark Sachschaden.

25. Mai 1966
Kulturrevolution in der VR China. Die Ideen Mao Tse Tung’s bekommen in der theoretischen Auseinandersetzung der Linken in der BRD einen sehr starken Einfluss. Bombardiert das Hauptquartier, Die alten Zöpfe abschneiden.

Ende Oktober 1966
Kongress gegen die Notstandsgesetze unter dem Motto: Notstand der Demokratie. Trotz einer breiten Bewegung von Sozialdemokraten, Gewerkschaftlern bis zur Oppositionellen der Neuen Linken, die mit Sternmärschen, Demonstrationen und anderen Protestformen die Notstandsgesetze zu verhindern versuchen, werden sie 1968 verabschiedet. Die BRD schafft sich ein Instrumentarium, um sich für eine noch zu erwartende innenpolitische Auseinandersetzung zu wappnen. Die Notstandsgesetze ermöglichen den Einsatz von Polizei, BGS und Bundeswehr unter Umgehung des Parlaments durch die Bundesregierung, sowie die Einschränkung der Grundrechte im so genanten Notstandfall, weiterhin die Ausstattung der Geheimdienste mit exekutiven Befugnissen, evtl. sogar Ausrufung des Notstandes durch Lageberichte der Geheimdienste. In den später hinzukommenden Durchführungsbestimmungen vom 21. November 1968 wird zudem die Zusammenarbeit der Geheimdienste mit den Strafvollstreckungsbehörden, der Einsatz der Sicherungsgruppe Bonn als bundesweite Ermittlungsorgane für Staatsschutzdelikte, sowie die monatliche Beratung des Staatssekretär-Ausschusses für Sicherheitsfragen präzisiert.

Herbst 1966
Wirtschaftskrise und Große Koalition von CDU/CSU und SPD. Willy Brandt wird Außenminister. Unternehmen, Gewerkschaften und Staat finden sich in einer Konzertierten Aktion zusammen; hier werden die Eckdaten der wirtschaftlichen Entwicklung gemeinsam ausgehandelt, darunter auch Lohnleitlinien. Die große Koalition ist jedoch nur auf kurze Zeit angelegt. Das Bündnis der Sozialdemokraten mit den Konservativen vergrößert den Zustrom zur außerparlamentarischen Opposition. Um diese Kräfte wieder integrieren zu können, was in der Brandt-Ära ab 1969 gelingt, muss sich die SPD wieder von der CDU/CSU lösen.

Dezember 1966
Rudi Dutschke ruft auf einer Versammlung des SDS zur Gründung einer außerparlamentarischen Opposition (APO) auf.

1967
Entstehung der Kommune-Bewegung.

5. April 1967
Das Puddingattentat der Kommune I auf US-Vizepräsident Hubert Humphrey wird von der Berliner Polizei vereitelt.

2. Juni 1967
Während einer Demonstration gegen den Besuch des Schahs von Persien wird Benno Ohnesorg von Kriminalobermeister Karl-Heinz Kurras am Boden kniend erschossen.

25. Juni 1967
Cassius Clay, alias Muhammed Ali, wird wegen Wehrdienstverweigerung zu 5 Jahren Knast verurteilt und erhält Boxverbot.

9. Oktober 1967
Ernesto Che Guevara wird in Bolivien ermordet.

30. Januar 1968
Beginn der Tet-Offensive der FNL (Tet ist das vietnamesische Neujahrsfest). Der Vietcong beginnt eine Offensive gegen das südvietnamesische Militärregime, die zu einem großen Erfolg wird. Große Teile des Landes werden unter Kontrolle der FNL gebracht.

17./18. Februar 1968
Vietnam-Kongress. An der TU in Berlin findet der Internationale Vietnam-Kongress statt, der Höhepunkt der Vietnam-Kampagne, an der sich zahlreiche ausländische Delegationen beteiligen. Nach Aufhebung eines vom Senat erlassenen Demonstrationsverbotes nehmen über 12 000 Menschen an der Abschlussdemonstration teil.

21. Februar 1968
Das offizielle Berlin antwortet mit einer von Senat, DGB und Springer-Konzern organisierten Gegenkundgebung. Beamte und Angestellte im Öffentlichen Dienst werden zur Teilnahme freigestellt. 80 000 BerlinerInnen demonstrieren gegen die Studentenbewegung unter dem Motto Berlin darf nicht Saigon werden. In der von den Springer-Zeitungen angeheizten Pogrom-Stimmung kommt es mehrfach zu Ausschreitungen gegen StudentInnen, Langhaarige, Jugendliche und Intellektuelle. Einige der freigestellten LehrerInnen protestieren auf der Demonstration gegen den Zwang zur Teilnahme und werden ebenfalls angegriffen.

16. März 1968
Massaker von My-Lai (Südvietnam), alle 500 BewohnerInnen des Dorfes werden von Einheiten der US-Armee ermordet.

3. April 1968
Nach dem Massaker von My-Lai legen Andreas Baader, Gudrun Ensslin, Thorwald Proll und Horst Söhnlein zwei Brandsätze in ein Kaufhaus auf der Frankfurter Zeil, um gegen die Gleichgültigkeit der Gesellschaft gegenüber den Morden in Vietnam zu protestieren. Schon einige Tage später werden die vier verhaftet. Für diese erste guerillaähnliche Aktion werden sie zu drei Jahren Gefängnis verurteilt.

4. April 1968
Ermordung von Martin Luther King

11. April 1968
Rudi Dutschke wird in West-Berlin von Josef Bachmann, der rechtsradikalen Kreisen nahe stand, durch eine Kopfschuss lebensgefährlich verletzt. Unmittelbar nach dem Attentat kommt es in der BRD und West-Berlin zu den bisher größten und militantesten Demonstrationen (Osterunruhen). Unter dem Motto BILD hat mitgeschoßen wird die Auslieferung der Springer-Presse verhindert (Springer Blockade). Es kommt zu tagelangen Straßenschlachten mit der Polizei. Beginn der Enteignet Springer-Kampagne. Am 24. Dezember 1979 stirbt Rudi Dutschke in Dänemark an den Spätfolgen des Attentates.

1. Mai 1968
Roter 1. Mai in Berlin. Unabhängig von den 1. Mai-Veranstaltungen des DGB organisiert die APO die neue studentische und nichtstudentische Linke eine eigene Rote 1. Mai-Demonstration.

11. Mai 1968
70 000 Menschen demonstrieren in Bonn gegen die Notstandsgesetze, die dann am 30. Mai 1968 von der Großen Koalition verabschiedet werden.

Pariser Mai 1968
Ausgangspunkt der Unruhen ist die Besetzung der Pariser Universitäten. Am 3. Mai 1968 wird in Paris die Sorbonne von der Polizei geräumt, was zu einer Straßenschlacht im Quartier Latin führt. Nach militanten Kämpfen an den Universitäten solidarisieren sich Millionen von ArbeiterInnen mit einem Generalstreik und gemeinsamen Demonstrationen. Im Juni 1968 werden die Renaultwerke bei Flins besetzt und am 11. Juni 1968 kommt es zum Aufstand bei Peugeot-Montbéliard. Im Morgengraunen fällt die CRS (Republikanische Kompanie für Sicherheit) in die Fabrik von Peugeot-Monbéliard ein. Ein Arbeiter wird von einem Polizisten erschossen und vier Kollegen werden schwer verletzt. Daraufhin kommt es zu schweren Auseinandersetzungen, in deren Verlauf elf Polizisten der CRS getötet werden. Im besetzten Pariser Odeon-Theater wird permanent über die Möglichkeit einer Kulturrevolution diskutiert. Frankreichs Staatspräsident De Gaulle löst am 30. Mai 1968 als Reaktion auf den Pariser Mai das Parlament auf und ordnet zum 10. Juni vorgezogene Neuwahlen an. Einige Tage davor flüchtet er jedoch zu seinen Panzertruppen ins Saarland und setzt diese in Marsch auf Paris. Daraufhin distanziert sich die Kommunistische Partei Frankreichs (KPF) von dem Aufstand und sorgt dafür, dass die ArbeiterInnen wieder in die Betriebe gehen.
Der Pariser Mai ist starker Bezugspunkt für die Linke in der BRD. Die studentische Linke diskutiert den Gang in die Betriebe und den Aufbau von Betriebsgruppen, für viele ist jedoch, wie sich später zeigt, der selbstgewählte proletarische Standpunkt aufgesetzt. Im Gegensatz zu ihnen steht bei der proletarischen Jugendbewegung und den Hippies die Arbeitsverweigerung an erster Stelle. Es entsteht aber auch parallel dazu eine Lehrlings- und JungarbeiterInnenbewegung, für die der Kampf um bessere Arbeits- und Ausbildungsbedingungen Ansatzpunkt ist.
Im September 1968 gründet sich in Frankreich die Gauche Prolétarienne als selbstständige Organisation aus der Mai-Bewegung.

September 1968
Auf der 23. Delegierten Konferenz des SDS in Frankfurt interveniert der Berliner Aktionsrat für die Befreiung der Frau. Seine Sprecherin Helke Sanders wirft den antiautoritären SDS-Autoritäten vor, in der Organisation würden Frauen genauso unterdrückt wie sonst in der Gesellschaft. Als Hans Jürgen Krahl, der nächste Redner, auf diesen Beitrag nicht eingeht, wird er von den Frauen mit Tomaten beworfen. Das Private ist Politisch! Diese Initiative ist einer der Auslöser für die Neue Frauenbewegung. Überall in der BRD werden Weiberräte gegründet.

4. November 1968
Die Schlacht am Tegeler Weg. Nach dem Attentat auf Rudi Dutschke beteiligt sich Rechtsanwalt Horst Mahler an der Demonstration gegen den Springer-Konzern. Am darauf folgenden Tag wird er in der Bild-Zeitung beschuldigt, sie angeführt zu haben. Die Generalstaatsanwaltschaft beantragt ein Berufsverbot für Horst Mahler. Der Antrag wird vom Berliner Landgericht am Tegeler Weg abgelehnt. Zirka 1000 DemonstratenInnen treffen sich während der Verhandlung hinter dem Landgericht in einer Seitenstraße und versuchen zum Tegeler Weg durchzubrechen. Es ist eine Mischung aus StudentInnen, JungarbeiterInnen, Jugendlichen und Rockern, was die Bild-Zeitung in ihrer darauf folgenden Ausgabe wie folgt kommentiert: Über 300 Festnahmen überraschend: nur jeder 3. war Student! In einer bis dato nicht gekannten organisierten Militanz gehen die DemonstrantInnen gegen die Einsatzkräfte vor. Es ist die letzte Demonstration, bei der Einsatzkräfte noch die alten Tschakos tragen. Danach wird in Berlin eine neue Polizei-Einsatzgruppe mit Helmen eingesetzt. Nach der Schlacht am Tegeler Weg gibt es vor allem innerhalb des SDS heftige Diskussionen über Gewalt und Gesellschaftsveränderung. Der SDS spaltet sich in den darauf folgenden Auseinandersetzungen.

8. November 1968
Beate Klarsfeld ohrfeigt den damaligen Bundeskanzler Kiesinger und ruft: Faschist! Lübke (damaliger Bundespräsident) und Kiesinger hatten bereits unter den Nazis Karriere gemacht. Kiesingers Tätigkeit als Verbindungsmann des Außenministeriums zum NS-Propagandaministerium ist für Beate Klarsfeld Anlass, die Tätigkeit ehemaliger Nazis in hohen öffentlichen Ämtern in der BRD zu thematisieren. Beate Klarsfeld wird noch am selben Tag in einem Schnellgerichtsverfahren zu einem Jahr Haft verurteilt.

1969
Einhergehend mit der Auflösung des SDS bilden sich in der BRD diverse kommunistische Parteien, die sogenannten K-Gruppen. Bei Smoke-Ins im Tiergarten gründet sich unter anderem als Antwort auf die vielen studentischen Parteigrüppchengründungen der Zentralrat der Umherschweifenden Haschrebellen.

24. Januar 1969
Nach StudentInnenunruhen in Spanien verhängt Franco den Ausnahmezustand.

18. April 1969
Straßenschlachten in Derry in Nordirland. Die IRA nimmt den bewaffneten Kampf wieder auf.

1. Juni 1969
Die Verkehrsbetriebe in Hannover erhöhen die Fahrpreise. Daraufhin werden sie wochenlang bestreikt und lahmgelegt. Es findet die erste Rote-Punkt-Aktion statt. Durch das Ankleben eines roten Punktes an der Frontscheibe ihres Pkws signalisieren FahrerInnen, dass sie bereit sind, Leute mitzunehmen. Es wird Rücknahme der Fahrpreiserhöhung erreicht.

7. Juni 1969
Demonstration der JungarbeiterInnen- und Lehrlingsbewegung in Köln unter dem Motto: Selbstbestimmung und Klassenkampf statt Mitbestimmung und Gewerkschaftskrampf!

27. Juni 1969
In einer Bar in der Christopher Street in New York wehren sich Schwule militant gegen eine der üblichen Razzien.

Juli / August 1969
Nachdem elf Bundeswehrdeserteure in West-Berlin verhaftet und in die jeweiligen Bundesländer der Bundesrepublik ausgeliefert werden, kommt es zu zahlreichen Protestaktionen und heftigen Auseinandersetzungen mit der Polizei.

2. September 1969:
Beginn des legendäre Woodstock-Konzerts.

2. September 1969
Septemberstreiks im Ruhrgebiet. Spontane Arbeitsniederlegungen durchbrechen die Lohnleitlinien. Damit beginnt in der BRD eine Periode erhöhter Streikaktivitäten, die bis 1974 andauert.

28. September 1969
Nach den Bundestagswahlen wird Willy Brandt zum Bundeskanzler nominiert. Die Sozial-Liberale Koalition ist damit geschaffen.

Herbst 1969
Gründung des Sozialistischen Zentrums in West-Berlin.


Die 70er Jahre

In der linksradikalen Szene wird verstärkt über revolutionäre Gewalt und Organisationsformen diskutiert. Der Blues entsteht. Die AktivistInnen des Blues finden sich in Westberlin in alternativen Wohnprojekten, in Stadtteil-, Betriebs-, und Kinderladengruppen, in Knastgruppen sowie in militanten Straßenkämpfen zusammen. Die selbstorganisierte Lehrlings- und SchülerInnenbewegung hat ihren Höhepunkt erreicht und fängt an, sich politische Lebensräume (zum Beispiel Jugendzentren und Wohnkollektive) zu erkämpfen.

Vom 31. Dezember 1967 bis 6. Februar 1971 kommt es allein in West-Berlin zu zirka 70 Brand-, Sprengstoff- und Knallkörperanschlägen von kleinen militanten Gruppen (Tupamaros West-Berlin, Haschrebellen, Schwarze Ratten, Schwarze Front) auf US-amerikanische Einrichtungen, die sich gegen den Vernichtungskrieg der USA in Vietnam richten. Justizeinrichtungen, Banken, Rathäuser, Bezirksämter und Konsulate sowie die reaktionäre Presse sind ebenfalls Ziele der Anschläge. Ein Teil dieser AktivistInnen schließt sich dann 1972 unter dem Namen Bewegung 2. Juni zusammen.

1970
In Heidelberg wird von dem Assistenzarzt Dr. Wolfgang Huber das Sozialistisches Patientenkollektiv (SPK) gegründet. Das SPK ist eine Selbsthilfeorganisation und thematisiert die krankmachende Gesellschaft, hat zirka 500 Mitglieder und proklamiert Aus der Krankheit eine Waffe machen.

14. Mai 1970
Andreas Baader wird in Berlin bei einer Ausführung in das UNI-Institut befreit. Andreas Baader und Gudrun Ensslin arbeiteten in Frankfurt in einem Jugendprojekt; um darüber eine Arbeit zu schreiben, bekommt Andreas Baader die Ausführung in das Publizistische Institut. Anlässlich seiner Befreiung veröffentlicht die RAF ihre erste Erklärung Die Rote Armee aufbauen.

24. Juni 1970
Anfang der 70er Jahre löst sich der SDS auf. Die letzte noch existierende Gruppe wird am 24. Juni 1970 nach schweren Auseinandersetzungen mit der Polizei in Heidelberg verboten.

7. August 1970
In den USA scheitert die Befreiung von George Jackson. Sein Bruder Jonathan, zwei weitere Gefangene sowie ein Richter sterben im Kugelhagel des FBI. Die kommunistische Journalistin Angela Davis wird daraufhin beschuldigt, die Waffen für diese Aktion geschmuggelt zu haben. Eine jahrelange internationale Kampagne für ihre Freilassung beginnt. George Jackson war mit 15 Jahren zum ersten Mal im Jugendgefängnis und mit 18 wegen angeblichen Raubes von 760 Dollar zu einem Jahr bis lebenslänglich verurteilt, wobei sein Entlassungstermin abhängig war von der Entscheidung einer Kommission über seine gute Führung. In der Haft beginnt er sich vor allem für den schwarzen Befreiungskampf zu engagieren, gründet mit anderen schwarzen Gefangenen die Soledad Brothers und wird später Mitglied der Black Panther Party. Jackson ist wichtiges Bindeglied zwischen der afroamerikanischen, der hispanischen und der weißen Gefangenenbewegung.

26. August 1970
Im Zusammenhang mit den bevorstehenden Massenentlassungen bei Linnhof (Maschinenbau) in der Silbersteinstraße/Berlin, verübt die Schwarze-Front Tupamaros einen Sprengstoffanschlag auf das Haus des Direktors und auf dessen PKW.

September 1970
Zeitgleich werden in Berlin drei Banken in einer gemeinsamen Aktion der RAF und des Blues überfallen. Das erbeutete Geld wird umverteilt und für Waffen, Logistik und die in der Illegalität lebenden GenossenInnen verwendet.

18. Oktober 1970
In einer Wohnung in der Berliner Knesebeckstraße werden Brigitte Asdonk, Monika Berberich, Irene Georgens, Horst Mahler und Ingrid Schubert verhaftet.

1971
Die Knastrevolte von Attica (USA), hauptsächlich getragen von afroamerikanischen und puertoricanischen Gefangenen, wird nach vier Tagen blutig niedergeschlagen; 32 Gefangene werden getötet, über 300 schwer verletzt viele durch Schüsse in den Rücken.

1. Mai 1971
In der Hasenheide werden bei einem Smoke-In die Yippies Westberlin gegründet. Ein Teil geht später zur Bewegung 2. Juni. Yippies kommt von Youth International Party, dem politischer Ableger der Hippie-Bewegung in den USA. Es finden zahlreiche Aktionen und Kampagnen vor allem gegen den Vietnam-Krieg statt.

15. Juli 1971
Bei der bislang größten Fahndung in der BRD, der Aktion Kobra, bei der über 3000 Polizisten im Einsatz sind, wird in Hamburg die 20-jährige Petra Schelm von einem Polizisten erschossen. Sie ist das erste Todesopfer der Terroristenfahnder. Der Schütze reklamiert erfolgreich Notwehr.

Juli 1971
Nach 14 Monaten Untersuchungshaft beginnt 1971 der Prozess gegen Georg von Rauch, Bommi Baumann und Thomas Weißbecker. Die drei werden wegen Nötigung, Körperverletzung und versuchten schweren Raubes angeklagt, weil sie einen Quick-Reporter verprügelt hatten. Nach Bekanntgabe der Haftverschonung für Bommi Baumann und Thomas Weißbecker kommt es im Gerichtssaal zu einem Verwechslungs-go-out. Anstelle des haftverschonten Thomas Weißbecker verlässt Georg von Rauch den Gerichtssaal. Als festgestellt wird, dass eine Verwechslung vorlag, wird auch Thomas Weißbecker sofort freigelassen. Er wird am darauf folgenden Tag wegen Gefangenenbefreiung zur Fahndung ausgeschrieben. Georg von Rauch lebt fortan im Untergrund.

15. August 1971
Im Kino Arsenal treffen sich anlässlich des Filmes von Rosa von Praunheim „Nicht der Homosexuelle ist pervers, sondern die Situation, in der er lebt“ etwa 40 homosexuelle Männer und Frauen. Es entsteht die HAW (Homosexuelle Aktion West-Berlin). Kurze Zeit später entsteht innerhalb der HAW eine Frauengruppe, die sich als homosexuelle Emanzipationsgruppe innerhalb der Frauenbewegung versteht. Als selbständige Organisation solidarisieren sie sich mit anderen Frauengruppen und arbeiten punktuell mit den HAW-Männern zusammen.

21. August 1971
George Jackson wird im Gefängnis San Quentin ermordet.

4. Dezember 1971
Georg von Rauch wird in der Eisenacher Straße in Berlin-Schöneberg von einem Kriminalbeamten durch einen Kopfschuss auf offener Straße erschossen. Zwei Tage danach kommt es zur Besetzung des nach ihm benannten Georg von Rauch-Hauses in Kreuzberg.

1972
Nach Aufständen und Massenfluchten aus Erziehungsheimen gibt der Berliner Senat eine öffentliche Bankrotterklärung zur Jugendpolitik ab. Es sollen viele Jugendeinrichtungen (Heime, Treffpunkte, Zentren) geschlossen werden, die daraufhin aber von den Jugendlichen besetzt und selbstverwaltet werden. Am 25. Februar 1972 wird in der Belzigerstraße in Berlin-Schöneberg ein ehemaliges städtisches Jugendzentrum von zirka 200 Jugendlichen besetzt. Das SJSZ (Sozialistische Jungarbeiter- und Schülerzentrum) ist das erste selbstverwaltete Jugendzentrum und das einzige, dem es gelingt, die Selbstverwaltung gegenüber dem Senat vertraglich abzusichern. Weitere Besetzungen folgen. (Ende 1972 Besetzung eines Senats-Jugendheimes in Schöneberg in der Potsdamer Straße. Dort entsteht das spätere Drugstore. 1973 Besetzung eines leerstehenden Wohnhauses, in dem das selbstorganisierte Jugendzentrum Putte entsteht. 1973 Gründung des Wohnkollektivs Thomas Weißbecker Haus in der Wilhelmstraße).

Januar 1972
Zum Jahreswechsel findet ein erstes Treffen verschiedener militanter Gruppen (Tupamaros Westberlin, Haschrebellen, Rote Ruhr Armee unter anderen) statt. Sie diskutieren und organisieren den darauf folgenden Zusammenschluss unter dem Namen Bewegung 2. Juni.

28. Januar 1972
Die Innenministerkonferenz unter dem Vorsitz des Bundeskanzlers Brandt beschließt den Radikalenerlass. Im öffentlichen Dienst werden Gesinnungsprüfungen durchgeführt. Die BewerberInnen und Angestellten werden durch den Verfassungsschutz überprüft und linksverdächtige KandidatInnen abgelehnt. Als Verdacht genügt zum Beispiel Leben in einer Wohngemeinschaft, Mitgliedschaft in der DKP oder Teilnahme an einer linken Demonstration. Der Radikalenerlass ist die Antwort auf den von der Studentenbewegung propagierten Marsch durch die Institutionen.

30. Januar 1972
Bloody Sunday. Im nordirischen Derry feuern britische Soldaten auf eine Bürgerrechtsdemonstration; dabei gibt es 13 Tote.

2. Februar 1972
Die Bewegung 2. Juni verübt einen Sprengstoffanschlag auf den britischen Yachtclub und zwei PKWs der in Berlin stationierten Alliierten Streitkräfte. Die Aktionen stehen im Zusammenhang mit dem Bloody Sunday in Derry. Der als Hausmeister tätige Bootsbauer Erwin Beelitz findet im Britischen Yachtclub in Berlin-Gatow eine der abgelegten Bomben und nimmt sie an sich. Als er sie in einen Schraubstock spannt und mit Hammer und Meißel bearbeitet, explodiert sie.

2. März 1972
Thomas Weißbecker, der wegen Brandstiftung und Körperverletzung gesucht wird, wird in Augsburg von einem Sonderkommando des bayrischen Landeskriminalamtes erschossen. Der Todesschütze wird später freigesprochen, weil er angeblich in Notwehr handelte.

3. März 1972
Nach der Erschießung von Thomas Weißbecker verübt die Bewegung 2. Juni einen Sprengstoffanschlag auf das Landeskriminalamt Berlin. Auf ihrem kurzen Flugblatt Jetzt reicht’s! beziehen sie sich mit dieser Aktion auch auf die Ermordeten Petra Schelm und Georg von Rauch.

April 1972
Nach der Ausrufung des Inneren Notstandes durch das Militärregime in Uruguay werden die dort inhaftierten Kader der MLN-Tupamaros als Geiseln gehalten. Ende 1972 sind die Tupamaros weitgehend zerschlagen.

Mai 1972
Im Zuge der Eskalation des Krieges gegen Nordvietnam verhängt US-Präsident Nixon eine Seeblockade und ordnet die Verminung der nordvietnamesischen Häfen an; gleichzeitig finden die Pariser Verhandlungen statt. Es kommt zu weltweiten Protesten. In der BRD gehen rund 100 000 Menschen auf die Straße.

5. Mai 1972
Aus Protest gegen die Justiz verübt die Bewegung 2. Juni einen Brandanschlag auf die juristische Fakultät. Diese Aktion bezog sich vor allem auf die Tatsache, dass die Verfahren gegen Polizeibeamte, die Todesschützen der Terroristenfahnder, eingestellt werden.

7. Mai 1972
Inge Viett von der Bewegung 2. Juni wird zusammen mit Ulrich Schmücker in Bad Neuenahr verhaftet.

19. Mai 1972
Im Axel-Springer-Verlag Hamburg explodieren zwei Bomben. Dabei werden 17 ArbeiterInnen verletzt. Das RAF-Kommando 2. Juni übernimmt die Verantwortung für den Anschlag.

1. Juni 1972
Bei einer der größten Fahndungsaktionen gegen die Stadtguerilla-Gruppen in der BRD und West-Berlin werden Andreas Baader, Holger Meins und Jan-Carl Raspe in Frankfurt verhaftet, am 7. Juni 1972 wird Gudrun Ensslin in Hamburg und am 15. Juni 1972 Ulrike Meinhof und Gerhard Müller in Hannover festgenommen, nachdem sie von einem Quartiergeber verraten wurden.

5. September 1972
Bei den Olympischen Spielen in München nimmt die palästinensische Organisation Schwarzer September mehrere israelische Sportler als Geiseln und fordert die Freilassung von 200 arabischen Häftlingen in Israel. Auf dem Flughafen Fürstenfeldbruck kommt es durch den Einsatz der Polizei zu einem Blutbad. Der Hubschrauber, in dem sich die Entführer und die Geiseln befinden, wird von 1000 Schuss regelrecht durchsiebt. Alle neun israelischen Geiseln und fünf Palästinenser des Kommandos sowie ein Polizist kommen ums Leben. Schwarzer September bezieht sich auf das Massaker, das die jordanische Armee 1970 an den in Jordanien lebenden PalästinenserInnen anrichtete.

17. Januar bis 12. Februar 1973
Im ersten Hungerstreik der RAF fordern 40 Gefangene Normalvollzug und Gleichbehandlung sowie die Verlegung von Ulrike Meinhof aus dem Toten Trakt in Köln-Ossendorf.

25. Januar 1973
Unter dem Titel Die Verbrechen der lesbischen Frauen erschien mehrere Wochen lang eine Artikelserie in der Bild-Zeitung. Die Frauengruppe der HAW (Homosexuelle Aktion West-Berlin) und andere organisieren Protestaktionen dagegen.

Februar bis Oktober 1973
Bundesweit finden wilde Streiks von mehreren tausend ArbeiterInnen in der Auto- und Stahlindustrie statt. In einigen Betrieben werden die Streiks in einer konzertierten Aktion von Polizei und Werkschutz niedergeschlagen. Der Fordstreik in Köln im August 1973 wird zum großen Teil von ausländischen Vertragsarbeitern getragen. Es kommt dort zum Konflikt zwischen türkischen und westdeutschen Arbeitern. Schlägertrupps, Provokateure und deutsche Arbeiter (obwohl diese nicht zur tatsächlichen Belegschaft gehören) werden als Streikbrecher aktiv. Flankiert wird dies von der Bild-Zeitungsschlagzeilen: Deutsche Arbeiter erkämpfen ihre Fabriken zurück. Bei einem Streik in dem Betrieb Pierburg/Autogerätebau in Neuss solidarisieren sich hingegen deutsche Arbeiter mit ihren ausländischen Kollegen, die die Arbeit niedergelegt hatten.

März 1973
Eskalation im Frankfurter Häuserkampf. Nach der Räumung eines besetzten Hauses kommt es zu militanten Demonstrationen mit bis zu 5000 TeilnehmerInnen.

23. Mai 1973
In Hamburg wird das besetzte Haus in der Eckhoffstraße durch ein Mobiles Einsatzkommando (MEK) geräumt.

August 1973
Inge Viett bricht aus der Frauenhaftanstalt Lehrter Straße aus.

11. September 1973
Militärputsch in Chile unter General Pinochet gegen die demokratisch gewählte Regierung Salvador Allendes. Maßgeblich beteiligt sind neben dem CIA das Unternehmen ITT. Auslösende Gründe sind neben der Nationalisierung der Schwerindustrie (Kupferbergbau) die Agrarreform sowie der unter der Allende-Regierung erfolgte Aufbau neuer sozialer Strukturen (poder popular). Der MIR (Movimiento de la Izquierda Revolucionaria Bewegung der revolutionären Linken), eine unter Allende legale linksradikale Organisation, die sich unter anderen an Landbesetzungen beteiligte um den Umstrukturierungsprozess zu beschleunigen, wird nach dem Militärputsch illegalisiert. Zehntausende Linke werden von den Militärs verhaftet und zum Teil in Fußballstadien gefangen gehalten. Tausende werden gefoltert und ermordet.

November 1973
In Frankfurt/Main wird der Gefangenenrat gegründet, um die Forderungen der Gefangenen in die Öffentlichkeit zu bringen.

11. November 1973
Till Meyer (Bewegung 2. Juni) flüchtet aus dem offenen Vollzug in Castrop Rauxel.

17./18. November 1973
Erste Anschläge der Revolutionären Zellen. Ziel sind die Niederlassungen der Firma ITT, die mitverantwortlich für den Putsch in Chile ist.

20. Dezember 1973
Die ETA (Euskadi Ta Askatasuna Baskenland und seine Feiheit), verübt einen Anschlag auf Carrero Blanco, rechte Hand des spanischen Diktators Franco. Die Explosion ist so gewaltig, dass der Personenwagen Carrero Blancos mehrer Stockwerke hoch geschleudert wird, was Blanco nicht überlebt.

1974
Es entstehen die ersten Gesundheitsläden. Die KPD-ML versucht mit einer Gesundheitskampagne und einem Volksbegehren die Wiedereinrichtung des ehemaligen Bethanienkrankenhauses als Poliklinik durchzusetzen. Daraufhin wird die Möglichkeit des Volksentscheides abgeschafft.

Sommer 1974
Dem Berliner Senat gerät das politische Engagement der Lehrlings-, SchülerInnen-, und Jungendzentren außer Kontrolle. In einer groß angelegten Aktion wird gegen die Jugendzentren und Wohnkollektive vorgegangen, zum Beispiel durch Vertragskündigung und Räumung der Putte oder Vertragskündigung und versuchte Räumung des SJSZ.

24. April 1974
In Portugal findet ein Putsch linker Militärs gegen die seit 1926 andauernde Diktatur statt (Revolution der Nelken). Damit enden auch die Kolonialkriege Portugals gegen Angola, Mozambique und Guinea-Bissau.

4. Juni 1974
Der Verfassungsschutzagent Ulrich Schmükker wird im Berliner Grunewald von einem Kommando Schwarzer Juni erschossen. Schmücker diente sich, nach seiner Festnahme am 7. Mai 1972, dem Verfassungsschutz an und wurde nach einigen Monaten aus der Haft entlassen. Er arbeitete fortan als Agent Provocateur für den Berliner Verfassungsschutz.

23. Juli 1974
Ende der Militärjunta in Griechenland.

13. September 1974 bis 5. Februar 1975
Gefangene der RAF, der Bewegung 2. Juni und andere treten in einen Hungerstreik mit den Forderungen: Normalvollzug, Gleichstellung aller Gefangenen, gegen Sonderhaftbedingungen. Es entsteht eine Diskussion zur Magna Charta, die die Grundlage für eine gemeinsame Plattform aller Gefangenen bilden soll, daher: Für alle Internierten in Gefängnissen, Psychiatrischen Anstalten, Fürsorge- und Erziehungsheimen.

9. November 1974
Holger Meins stirbt nach neun Wochen Hungerstreik. An den Tagen danach kommt es neben einigen Brandanschlägen in vielen Städten Westdeutschlands und in Berlin zu über 50 Demonstrationen und zum Teil schweren Auseinandersetzungen mit der Polizei.

10. November 1974
Berlins Kammergerichtspräsident Günter von Drenkmann wird von einem Kommando der Bewegung 2. Juni bei einer versuchten Entführungsaktion erschossen. Eine Woche später veranstaltet der Westberliner Senat eine Trauer- und Protestkundgebung zur Beerdigung Drenkmanns. Für diese Kundgebung werden die Beschäftigten des öffentlichen Dienstes sowie vieler privater Großunternehmen (zum Beispiel Siemens) beurlaubt. Dennoch erscheinen lediglich 10 000 TeilnehmerInnen.

11. November 1974
An einer Großdemonstration zur Unterstützung der Hungerstreikenden und aus Protest gegen die Ermordung von Holger Meins beteiligen sich in Berlin über 15 000 Menschen.

Anfang Dezember 1974
Bei der bundesweiten Fahndungsaktion Aktion Winterreise werden zahlreiche Wohnungen und Büros durchsucht, zehn Personen verhaftet und 56 vorläufig festgenommen.

23. Februar 1975
Räumung des von 20 000 Menschen besetzten Baugeländes für das AKW in Whyl. Massiver Polizeieinsatz, viele Verhaftungen und Strafverfahren.

27. Februar 1975 bis 5. März 1975
Mitten im Berliner Wahlkampf wird der Landesvorsitzende der CDU, Peter Lorenz, von der Bewegung 2. Juni entführt. Die Behörden gehen auf den geforderten Austausch ein. Pfarrer Heinrich Albertz begleitet die Gefangenen Verena Becker, Rolf Heißler, Gabriele Kröcher-Tiedemann, Rolf Pohle und Ingrid Siepmann in den Südjemen. Peter Lorenz wird auf das Losungswort So ein Tag, so wunderschön wie heute! freigelassen.

2. März 1975
Wahlen in Westberlin. Die CDU gewinnt die Abgeordnetenhauswahlen – die Regierung wird allerdings aus SPD und FDP gebildet. Peter Lorenz wird Parlamentspräsident von Westberlin.

4. März 1975
Zehn Tage nach Ablehnung der Fristenlösung bei Schwangerschaftsabbruch durch das Bundesverfassungsgericht verübt die Rote Zora einen Anschlag auf das Gericht in Karlsruhe. In Bonn findet eine der größten Demonstrationen gegen den Paragraph 218 statt.

24. April 1975
Das RAF-Kommando Holger Meins besetzt die deutsche Botschaft in Stockholm und nimmt zwölf Geiseln. Sie verlangen die Freilassung von 26 politischen Gefangenen. Die Bundesregierung geht jedoch nicht auf die Forderungen ein. Aus nie ganz geklärten Gründen explodiert kurz nach Mitternacht im Botschaftsgebäude eine Bombe. Dabei sterben der Militärattaché Andreas von Mirbach, der Botschaftsrat Heinz Hillegart und Ulrich Wessel vom RAF-Kommando. Ein weiteres Kommando-Mitglied, Siegfried Hausner, stirbt nach seiner Auslieferung an die BRD aufgrund seiner schweren Verletzungen.

28. April 1975
Gerald Klöpper und Ronald Fritzsch von der Bewegung 2. Juni werden in einer Garage in Berlin-Tegel festgenommen.

30. April 1975
Eroberung Saigons durch den Vietcong.

9. Mai 1975
Bei einem Schusswechsel auf einem Parkplatz in Köln werden Werner Sauber von der Bewegung 2. Juni und ein Polizist erschossen. Karl Heinz Roth wird schwer verletzt und zusammen mit Roland Otto festgenommen.

21. Mai 1975
In Stuttgart-Stammheim beginnt der Prozess gegen Andreas Baader, Gudrun Ensslin, Ulrike Meinhof und Jan-Carl Raspe.

6. Juni 1975
Till Meyer wird bei seiner Festnahme im U-Bahnhof Yorkstraße in Berlin angeschossen.

Juli 1975
Flugblätter der Revolutionären Zellen und 120 000 gefälschte Sammelfahrscheine der BVG im Wert von 360 000 Mark werden durch eine organisierte Verteilerstruktur unter die Leute gebracht. Fahrpreisautomaten werden lahm gelegt und Schwarzfahrertips verteilt.

30. Juli und 31. Juli 1975
Bei zwei Banküberfälle werden 100 000 Mark von der Bewegung 2. Juni umverteilt und die Kunden und Angestellten mit Schokoküssen getröstet.

9. September 1975
Ralf Reinders, Inge Viett und Juliane Plambeck werden in einer Ladenwohnung in Berlin-Steglitz verhaftet, wenige Tage später auch Fritz Teufel und Gabriele Rollnik.

12. November 1975
Waltraud Siepert und Christiane Doemeland werden verhaftet.

16./24. Dezember 1975
Bundesweite Aktion gegen politische Buchläden, Verlage, Druckereien und Wohngemeinschaften. Die ganze Aktion wird noch mit dem Paragraph 131 (Verherrlichung von Gewalt) legitimiert, bietet jedoch eine Vorschau auf das folgende Maulkorbgesetz Paragraph 130a (Anleitung zu Straftaten) und den Staatsschutzparagraphen Paragraph 88a (Verfassungsfeindliche Befürwortung von Straftaten).

21. Dezember 1975
Die OPEC-Konferenz in Wien wird von einem palästinensischen Kommando besetzt. Rund 70 Konferenzteilnehmer werden als Geiseln genommen. Dabei kommen ein österreichischer Kriminalbeamter, ein irakischer Sicherheitsbeamter und ein OPEC-Angestellter ums Leben. Das Kommando erzwingt die Ausreise mit den OPEC-Ministern.

24. Dezember 1975
Inge Viett versucht sich abermals aus dem Knast zu sägen und wird zu früh entdeckt.

16. Januar 1976
Der Bundestag verabschiedet das 14. Strafrechtsänderungsgesetz, das am 1. Mai 1976 in Kraft tritt. Es führt die Paragraph 88a und 130a ein, die die Verbreitung oder auch nur den Besitz von Schriften, die Gewalt befürworten unter eine Gefängnisstrafe von bis zu drei Jahren stellen.

26. März 1976
In Berlin werden Eberhard Dreher und Andreas Vogel wegen Unterstützung und Mitgliedschaft in der Bewegung 2. Juni verhaftet.

9. Mai 1976
Ulrike Meinhof wird in ihrer Zelle erhängt aufgefunden. In den fünfziger und sechziger Jahren war sie Sprecherin der Bewegung gegen den Atomtod, Mitglied der illegalen KPD und Kolumnistin der Zeitschrift Konkret. Am 4. Mai 1970 war sie an der Befreiung von Andreas Baader beteiligt. Sie wurde am 15. Juni 1972 festgenommen und am 29. November 1974 zu acht Jahren Haft verurteilt.

16. Juni 1976
In Südafrika beginnt der mehrwöchige Aufstand schwarzer SchülerInnen gegen die Einführung von Afrikaans als Unterrichtssprache. Die Sicherheitskräfte eröffnen das Feuer gegen die DemonstrantInnen. Mindestens 350 SchülerInnen kommen ums Leben, über 200 werden verletzt. Der Widerstand in Soweto wird zum Symbol des Kampfes gegen das rassistische Apartheidsregime.

24. Juni 1976
Der Bundestag verabschiedet die ersten Anti-Terror-Gesetze. Von nun an kann der Schriftverkehr zwischen den Gefangenen und ihren Anwälten überwacht werden. Außerdem wird die so genannte Mehrfachverteidigung unterbunden. Mit dem Paragraph 129a wird der Straftatbestand der Bildung und/oder Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung geschaffen.

27. Juni 1976
Unter Beteiligung von Mitgliedern der Revolutionären Zellen entführt ein palästinensisches Kommando ein Air France Verkehrsflugzeug nach Entebbe in Uganda und fordert die Freilassung von 53 in verschiedenen Ländern einsitzenden politischen Gefangenen. Darunter auch sechs in der BRD: Werner Hoppe, Jan-Carl Raspe, Ralf Reinders, Ingrid Schubert, Fritz Teufel und Inge Viett. Unter den über 250 Passagieren befinden sich rund 100 israelische Staatsbürger oder Juden anderer Nationalität. Nachdem die nicht-jüdischen Passagiere freigelassen wurden, stürmt eine israelische Militäreinheit den Flughafen von Entebbe, befreit die Geiseln und erschießt die Kommando-Mitglieder, darunter auch Wilfried Bony Böse und Brigitte Kuhlmann von den RZ.

7. Juli 1976
Vier Frauen (Monika Berberich, Inge Viett, Gabriele Rollnik, Juliane Plambeck) der RAF und der Bewegung 2. Juni gelingt der Ausbruch aus der Frauenhaftanstalt Lehrter Straße in West-Berlin.

30. Oktober 1976
Erste Bauplatzbesetzung in Brokdorf mit zirka 8000 Menschen.

13./14. November 1976
40 000 Menschen versuchen erneut die Besetzung des Bauplatzes in Brokdorf. Es kommt zu einer brutalen Räumung und Auseinandersetzungen mit der Polizei mit 1000 zum Teil lebensgefährlich verletzte DemonstrantenInnen.

4. April 1977
Norbert Kröcher und Manfred Adomeit werden an die BRD ausgeliefert. Am 31. März/1.April 1977 waren sie gemeinsam mit anderen in Stockholm verhaftet worden.

7. April 1977
I
n Karlsruhe werden auf den Dienstwagen von Generalbundesanwalt Buback von einem Motorrad aus Schüsse abgegeben (RAF-Kommando Ulrike Meinhof). Generalbundesanwalt Siegfried Buback, sein Fahrer und ein Polizist werden dabei getötet.

2. April bis Mai 1977
Hungerstreik der Gefangenen aus der RAF, bei dem diese einen neuen politischen Kurs festlegen: Die Anerkennung des Kriegsgefangenen-Status nach den Genfer Konventionen und die Zusammenlegung der Gefangenen.

28. April 1977
Andreas Baader, Jan-Carl Raspe und Gudrun Ensslin werden zu lebenslanger Haft verurteilt.

3. Mai 1977
Bei einer Schießerei mit der Polizei wird Günter Sonnenberg lebensgefährlich verletzt und zusammen mit Verena Becker verhaftet.

4. Mai 1977
In einer Göttinger Studentenzeitung wird unter der Überschrift Buback ein Nachruf ein Artikel zu dem Anschlag auf den damaligen Generalbundesanwalt veröffentlicht. Der Beitrag formulierte eine deutliche Kritik an der Stadtguerilla-Politik, aufgrund der Aussage der klammheimlichen Freude über das Ableben Bubacks setzt die Staatsmacht in den folgenden Wochen jedoch ihren Repressionsapparat ein. Aus Solidarität mit den verfolgten Redakteuren der Zeitschrift und dem ASTA wurde daraufhin der Nachruf in vielen Alternativ-, Studenten- und Schülerzeitungen nachgedruckt. Auch gegen diese Publikationen kommt es wieder zu einer Welle von Ermittlungsverfahren. Gegen die Einschränkung der Pressefreiheit unterschreiben daraufhin 177 Hochschullehrer im September 1977 eine Solidaritätserklärung. Nach eingeleiteten Disziplinarverfahren ziehen die meisten jedoch ihre Unterschrift zurück.

30. Juli 1977
Der Vorstandsvorsitzende der Dresdner Bank Jürgen Ponto wird in seinem Haus in Oberursel erschossen

5. September 1977
Das RAF-Kommando Siegfried Hausner entführt in Köln Hanns-Martin Schleyer und erschießt dabei Schleyers Fahrer und drei Polizeibeamte. Das Kommando fordert die Freilassung von elf RAF-Gefangenen.

7. September 1977
Über 72 Gefangene wird eine Kontaktsperre verhängt, die erst am 29. September 1977 durch ein Gesetz legalisiert wird. Das Kontaktsperregesetz wird vom Bundestag innerhalb von drei Tagen verabschiedet. Im Zusammenhang mit der Entführung von Schleyer wurde dies vom damaligen Bundeskanzler Schmidt als unabweisbar notwendig bezeichnet. Es beschränkt bzw. verbietet den Besuch von Verteidigern bei ihren Mandanten, den Kontakt der Gefangenen untereinander sowie den Kontakt nach draußen.

24. September 1977
Internationale Anti-AKW-Demonstration in Kalkar, an der 50 000 Menschen teilnehmen.

13. Oktober bis 18. Oktober 1977
Ein palästinensisches Kommando entführt die Lufthansamaschine Landshut mit Mallorca-Urlaubern in die somalische Hauptstadt Mogadischu. Andreas Baader, Gudrun Ensslin, Jan-Carl Raspe, Verena Becker, Werner Hoppe, Karl-Heinz Dellwo, Hanna Krabbe, Bernd Rössner, Ingrid Schubert, Irmgard Möller sollen freigelassen werden und mit 100 000 Mark in ein Land ihrer Wahl ausreisen. Während der Zwischenlandung in Aden wird der Kapitän der Landshut erschossen, um das Auftanken der Maschine zu erzwingen. Die GSG 9 stürmt die Maschine in Mogadischu; dabei werden drei der Flugzeugentführer erschossen.

18. Oktober 1977
Tod von Gudrun Ensslin, Andreas Baader und Jan-Carl Raspe in Stammheim.

19. Oktober 1977
Hanns-Martin Schleyer wird tot im Kofferraum eines PKWs in Mühlhausen entdeckt.

Oktober 1977
In einer Kampagne gegen die Herstellung von Raubdrucken und gegen mehrere Spontiblätter, vor allem gegen das Berliner Infobug gibt es erstmalig Prozesse und Festnahmen gegen Hersteller, Drucker und Verteiler linker Schriften. Später folgt die Festnahme und der Prozess gegen die agit-drucker.

12. November 1977
Ingrid Schubert wird erhängt in ihrer Zelle in Stadelheim aufgefunden.

13. November 1977
Massendemonstration gegen das AKW in Brokdorf.

Januar 1978
In Berlin findet der TUNIX-Kongreß der Sponti-Linken statt.

6. Februar 1978
Celler-Loch. Um Agenten eine glaubwürdige Legende zu verschaffen, sprengt der Verfassungsschutz mit Hilfe der GSG 9 ein Loch in die Mauer der Strafanstalt Celle. Vorgetäuscht wird damit ein Befreiungsversuch von Sigurd Debus, der daraufhin isoliert wird.

10. April 1978
In Berlin beginnt vor dem Kammergericht der Lorenz-Drenkmann-Prozess gegen Ronald Fritzsch, Gerald Klöpper, Till Meyer, Ralf Reinders, Fritz Teufel und Andreas Vogel. Der Beginn des Prozesses wird von Auseinandersetzungen über die Zwangsverteidiger bestimmt. Daraufhin übernehmen die Revolutionären Zellen die Verantwortung für zwei Aktionen gegen die Zwangsverteidiger: Einem wird ins Bein geschossen und ein zweiter findet eine Bombe unterm Auto.

27. Mai 1978
Till Meyer wird von zwei Genossinnen vom Kommando Nabil Harb aus dem Knast (Moabit) befreit. Die ebenfalls beabsichtigte Befreiung von Andreas Vogel scheitert.

1. Juni 1978
Die Trennscheibe für Rechtsanwälte und Besucher im Knast wird per Gesetz eingeführt.

5. Juni 1978
Klaus Viehmann wird in Berlin verhaftet.

21. Juni 1978
Till Meyer wird zusammen mit Gabriele Rollnik, Gudrun Stürmer und Angelika Goder in Bulgarien festgenommen und an die BRD ausgeliefert.

31. April 1979
100 000 demonstrieren gegen die Wiederaufbereitungsanlage in Gorleben.

2. Juni 1980
Ein Teil der Bewegung 2. Juni erklärt seine Auflösung und den Übertritt zur RAF.

13. Oktober 1980
Urteilsverkündung im Lorenz-Drenkmann-Prozess: Je 15 Jahre für Ralf Reinders und Till Meyer, 13 Jahre für Ronald Fritzsch, elf Jahre für Gerald Klöpper, zehn Jahre für Andreas Vogel und fünf Jahre für Fritz Teufel.

Fritz Teufel wird nach der Urteilsverkündung aus der Haft entlassen. Er ist heute Fahrrad-Kurier und Pedalologe. Gerald Klöpper wird 1982 vorzeitig entlassen. Nach einem kurzen Intermezzo bei der Alternativen Liste lässt er es sich heute als Unternehmer gut gehen.
Andreas Vogel saß nach seinem Schwenk zur RAF die Reststrafe bis 1986 im Celler Trakt ab.
Till Meyer wurde brav und distanzierte sich von allem und wird 1986 ebenfalls vorzeitig entlassen. Bis zu dessen Auflösung findet er bei der Stasi der DDR eine neue Heimat.
Ronald Fritzsch wird am 20. September 1989 und Ralf Reinders am 14. September 1990 aus der Haftanstalt Berlin-Moabit entlassen.