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Programm der Bewegung 2. Juni
1972
Das Programm wurde von der Bundesanwaltschaft im Lorenz-Drenkmann-Prozess
verlesen. Der Vorsitzende Richter Geus wollte von den Angeklagten wissen, „wer
das denn verfasst hätte“. „Wir auch!“ kam die prompte
Antwort von den Angeklagten. Bis heute kennt niemand die AutorInnen des Programms.
Geschrieben ist es höchstwahrscheinlich 1972 und gibt den Diskussionsstand
von damals ganz gut wieder.
1. Die Bewegung versteht sich als Anfang einer Organisation verschiedener autonomer
Gruppen der Stadtguerilla.
2. Die Bewegung ist bemüht, dauernd revolutionäre Praxis zu betreiben.
Nur so kann sie den Anspruch erheben, revolutionär zu sein. Sie versteht
sich als antiautoritär, allerdings dürfen niemals der strategische
Plan, theoretische und praktische Prinzipien und eine der Guerilla spezifische
Disziplin fehlen.
3. Die Bewegung zählt sich nur insoweit zur Avantgarde, als sie „zu
den ersten zählt, die die Waffe ergreifen“. Sie wird nicht dadurch
zur Avantgarde, dass sie sich einfach so nennt. Das Gewehr allein und der Vollzug „revolutionärer
Aktionen“ genügt nicht, den Anspruch zu rechtfertigen. Die Bewegung
muss zur Aktion übergehen, eine überzeugende revolutionäre Praxis
treiben, sich den Massen durch Kontinuität und vermittelte Aktionen verständlich
machen. Sie muss zeigen, dass allein die Aktion die Avantgarde schafft und dass
jegliche Avantgarde überflüssig geworden ist, wenn die Aktionen vom
Volk aufgegriffen und vermasst sind.
4. Im Zeitalter des entwickelten Imperialismus bedurfte es keiner neuen Analysen,
dass die Hauptaufgabe nicht der Aufbau einer Partei ist, sondern die Auslösung
der revolutionären Aktion, die Schaffung einer Organisation der bewaffneten,
revolutionären Gegengewalt des Volkes gegen die organisierte Gewalt des
Staatsapparates.
5. Die ersten Aufgaben der Bewegung bestehen darin, sich systematisch den
von ihr geleiteten Aktionen zu widmen, wenn diese anfänglich auch noch begrenzt
sind.
6. Entscheidend für die Arbeit der Organisation ist die Fähigkeit
der Gruppe und Initiativen. Kein Kommando und keine Koordinationsstelle, kein
Zentralkomitee und keine Vollversammlung besitzt das Recht, die Autorität,
die Initiative einer Gruppe zu verhindern, die darauf gerichtet ist, eine revolutionäre
Aktion auszulösen. Wir gehen jedoch davon aus, dass jede Gruppe durch das
Schaffen eines reichen theoretischen Fundamentes in der Lage ist, nur solche
Aktionen auszulösen, die geeignet sind, dem Volk zu dienen.
7. Die militärische Linie der Bewegung 2. Juni ist nicht von der politischen
Linie getrennt und ist ihr nicht untergeordnet. Wir betrachten beide Linien als
untrennbar verbunden. Sie sind zwei Seiten derselben revolutionären Sache.
die Linie der Bewegung 2. Juni ist einheitlich politisch-militärisch. Sie
ist revolutionär. Die legal arbeitenden Genossen arbeiten an der Basis,
in den Stadtteilen, Betrieben, Basisgruppen, in den Schulen und Universitäten
und sind bemüht, an der Vereinheitlichung der städtischen Massenfront
mitzuwirken.
8. Die Genossen der Bewegung betrachten ihre Arbeit in der Massenfront, in
der Logistik und in den bewaffneten, taktischen Einheiten als Vollzeitarbeit.
Im Zuge der zunehmenden Faschisierung der westlichen Industrienationen, im Zeichen
der Prometheus- und Notstandspläne, im Zeichen der Handgranaten- und verschärften
Ausländergesetzte angesichts der Militärisierung der Klassenkämpfe
seitens des Kapitals und der verstärkten imperialistischen Bemühungen
des Metropolenkapitals besteht die Arbeit der Bewegung 2. Juni darin, durch Aufzeigen
revolutionärer Interventionsmethoden zur Lösung des Grundwiderspruchs
in kapitalistischen Ländern beizutragen. Dazu gehört die DIREKTE Unterstützung
von Massenkämpfen, gehört die Propagierung von Kampfmethoden nationaler
und internationaler Lohnabhängigenmassen, gehört die Aufklärung über
Möglichkeiten neuer Kampfmethoden. Deshalb hängt der Erfolg der revolutionären
Praxis der Bewegung von der dauernden, direkten und persönlichen Teilnahme
der Mitglieder der Kommandos ab.
9. Die Bewegung des 2. Juni ist nicht der bewaffnete Arm einer Partei oder
einer Organisation. Die bewaffneten, taktischen Einheiten der Bewegung sind die
selbständigen politisch-militärischen Kommandos der Organisation. Zur
ständigen Arbeit der legal arbeitenden Genossen der Bewegung, die noch nicht
in den Untergrund gezwungen worden sind, gehört es jedoch innerhalb der
Organisationen, in denen sie wirken, die Schaffung revolutionärer Milizen
zu propagieren und zu initiieren. Wir unterscheiden nicht zwischen „legal“ und „illegal“.
Erfolg bringen nur Aktionen, die die Herrschenden „illegal“ nennen.
Eine erfolgreiche legale Aktion der Basis wird illegalisiert. Wer das nicht in
Kauf nimmt, kann nicht revolutionär genannt werden.
10. Die Bewegung 2. Juni ist keineswegs dem „romantischen Mythos“ der „Untergrundarbeit“ verfallen.
Die Kader der Bewegung schätzen ihre Arbeit und ihr Risiko realistisch ein.
Sie sind sich klar darüber, zusammen mit anderen Guerilla-Organisationen,
wie z. B. der RAF, als Vorhut zur Schaffung einer Armee des Volkes zu hochgradigen
Staatsfeinden erklärt zu werden. Dass der revolutionäre Tod im Zuge
der verschärften Klassenauseinandersetzungen zunehmen wird, ist uns klar.
Der Terror, der sich jetzt gegen die Kader und Propagandisten der Stadtguerilla
wendet, ist nur Vorbereitung auf bevorstehende Klassenkämpfe. Der Krieg
gegen Staat und Kapital wird ein langwieriger Krieg werden. Und gerade das Studium
der deutschen Arbeiterbewegung zeigt uns überdeutlich, dass wir das Kriegführen
lernen müssen. Das Kriegführen aber lernen wir nur in der Praxis. Praxis
heißt für uns: Schaffung militanter legaler Gruppen, Schaffung von
Milizen, Schaffung von Stadtguerilla – bis zur Armee des Volkes.
11. Der Kampf gegen Kapital und Staat ist kein Kampf gegen Charaktermasken.
Es ist der Kampf gegen die 1,3 Prozent der Bevölkerung, die über 74
Prozent des Produktionsvermögens verfügen, samt ihren Handlangern in
Uniform und Zivil. Unser Ziel ist nicht die Schaffung einer „Diktatur des
Proletariats“, sondern das Zerschlagen der Herrschaft der Schweine über
die Menschen, ist das Zerschlagen der Herrschaft des Kapitals, der Parteien,
des Staates. Das Ziel ist die Errichtung einer Rätedemokratie. Das Regime
der Schweine wird nicht durch Formeln beseitigt, sondern durch den revolutionären
Kampf. Dieser Kampf kann nicht national geführt und gewonnen werden, er
ist international. Die Bewegung arbeitet mit allen sozialistischen Guerilla-Gruppen
der Welt zusammen, ja, dieses Programm lehnt sich an das unserer brasilianischen
Freunde der MLB an. Die Bewegung 2. Juni ist Teil einer weltweiten sozialistischen
Offensive, sie kämpft Schulter an Schulter mit der IRA, den Weathermen,
der Gauche Proletarienne, den Roten Brigaden und allen anderen Guerilla-Organisationen.
Die revolutionäre Guerilla aufbauen! Der organisierten Gewalt des Staatsapparates die organisierte revolutionäre
Gewalt entgegensetzen!
Sieg im Volkskrieg! Alle Macht dem Volk! |
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