Materialien
Zum Attentat auf Berlins höchsten Richter: Terror oder Gegenwehr?!
1974 – Zweites Flugblatt der Bewegung 2. Juni zur Erschießung des Kammergerichtspräsidenten


Wer ist über den Tod Günter von Drenkmanns „bestürzt“ und weshalb? Der Aufschrei über den Tod Drenkmanns ist der Aufschrei der Herrschenden über den Tod eines der Ihren! Nicht die innere Sicherheit, nicht die Sicherheit der Bevölkerung sehen sie bedroht – Was interessiert diese Leute schon der „kleine Mann“, es sei denn als Wähler sprich Stimmvieh – ihre eigene Sicherheit ist bedroht: da ist jemand zur Verantwortung gezogen worden, der sich nie Gedanken über Verantwortung machen musste, weil er als „Träger des Rechts“ unangreifbar war. Wenn er uns heute unter anderem auch als Antifaschist verhökert werden soll, nur weil er während der NS-Zeit nicht als Richter tätig war: sondern als Syndikus in der hiesigen Industrie- und Handelskammer, dann stellt sich doch die Frage: War diese etwa antifaschistisch?!?

Die Regierungen wechselten, die Drenkmanns waren immer dabei. Schon der Vater Günter von Drenkmanns war unter Kaiser Wilhelm Kammergerichtspräsident, dann Weimar, die Nazis. 1937 wurde Günter von Drenkmann Richter und brachte es dann unter unserer so genannten „freiheitlich-demokratischen Grundordnung“ zum immerhin höchsten Richter dieser Stadt ... und, auch der Jüngste der Drenkmanns wird diese Tradition wohl fortsetzen, zur Zeit ist er jedenfalls schon mal Richter am Landgericht.

Es kommt doch nicht von ungefähr, dass es in der Familie Drenkmann gang und gäbe war, ihre Kinder Jura studieren zu lassen, während es in der Arbeiterfamilie gang und gäbe ist, dass die Kinder wieder Arbeiter werden ...! In unserer „Demokratie“ (Volksherrschaft) sieht es so aus, als wäre der Arbeiter sowohl dümmer, als auch „von Hause aus“ krimineller als die Bessergestellten:
Nur etwa sechs Prozent Arbeiterkinder sind an unseren Universitäten; die in den Gefängnissen Einsitzenden sind zu 80 Prozent Angehörige der arbeitenden Klasse! Das ist die „Gerechtigkeit“ des Systems, das ist die „Ordnung“, die Drenkmann und alle Angehörigen dieser Klasse unter allen Umständen aufrechterhalten wollen!

Und dann tönt es plötzlich, die Demokratie sei in Gefahr; nicht, weil endlich erkannt wurde, dass das Volk gar nicht herrscht, sondern laufend von denen, die es im Interesse der Bonzen und Postenjäger regieren, beschissen wird – nein, hier haben ganz bestimmte Leute Angst, dass die Höhe ihres Postens und ihre Absicherung durch angeblich „allgemeingültige“ Gesetze, keine Gewahr mehr dafür sind, dass sie tun und lassen können, was sie wollen.

Die Aktionen der bewaffneten Linken haben sich nie gegen das Volk gerichtet: Ihre Aktionen waren immer gegen die gerichtet, die das Volk. ausbeuten, belügen, betrügen und verraten. Und genau diese haben es nötig, im Augenblick der Gefahr für sie selbst, eine Gefahr für die Bevölkerung heraufzubeschwören: Einer Bevölkerung, mit der sie sich sonst nicht an einen Tisch setzen würden, die ihnen als Untergebene gerade gut genug ist.

Plötzlich war Richter Drenkmann ein Bürger wie jeder andere, als ob die Schüsse auch einen Werkzeugmacher, den Gemüsehändler an der Ecke oder die Verkäuferin im KaDeWe hätten treffen können! Wir kämpfen doch nicht gegen unsere Schwestern und Brüder, sondern gegen die, die uns alle knechten und auf Raten umbringen: mit unmenschlichen Wohnverhältnissen, mit Arbeitshetze, mit einem Ausbildungssystem, das nur ihre eigenen Kinder ausbildet, mit Gefängnissen, in denen Menschen sterben und die, die nicht sterben, für immer kaputtgemacht werden.

Was geht die arbeitende Bevölkerung der Kammergerichtspräsident Drenkmann an, der – laut Bild – es liebte, bei der Arbeit rosa Hemden zu tragen und – laut Tagesspiegel – ein weltläufiger Mann war?

Während sonst alles getan wird, um eine Solidarität unter uns zu verhindern, sei es durch Isolation am Arbeitsplatz, durch isoliertes Wohnen, durch Isolation in den Gefängnissen ... ruft es nun plötzlich von Regierungsbänken und quer durch alle Parteien (es gibt keine Parteien mehr, es gibt nur noch Deutsche!?) nach „Solidarität“. Nach Solidarität gegenüber denen, die gezeigt haben und noch zeigen, dass Widerstand notwendig ist, dass Widerstand möglich ist. Das ist ihre Angst: Nicht, dass die Bevölkerung von Terroristen bedroht wird (sie selbst wissen ganz genau, dass die Aktionen nur sie treffen), sondern dass diese Bevölkerung anfängt, sich gegen den Terror von oben, zur Wehr zu setzen, dass sie ihr Recht fordert, darum zu kämpfen beginnt.

Die Erschießung des obersten Richters von Berlin ist keine Aktion gegen das Volk – das Volk hat die „Terroristen“ nicht zu fürchten! Die Aktion gegen den Richter zeigt, dass wir uns wehren, dass wir die Ermordung eines Genossen nicht mehr ohnmächtig hinnehmen, sondern dass wir die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen. Auf der Berliner Justizszenerie tat das Kammergericht sich schon seit jeher mit besonders reaktionären Urteilen, Beschlüssen und Anordnungen hervor, Es ist nur logisch, dass der Präsident selbst nicht am Richtertisch stand: Welcher Unternehmer macht sich selbst die Hände dreckig und hat aber dennoch alle Entscheidungsgewalt in der Hand!

Die Toten, die der Polizeiapparat, der Verfassungsschutz, die Justiz auf dem Gewissen haben, sind unzählig:

Richard Epple, Petra Schelm, Jürgen Jendrian, Georg von Rauch, Tommy Weissbecker, Günter Routhier, Mc Loyd, Benno Ohnesorg und jetzt Holger Meins sind nur ein paar Namen von vielen Erschlagenen und Erschossenen. Alle Verfahren gegen ihre Mörder wurden eingestellt! Diesen staatlich geschützten Verbrechen können und werden wir nicht mehr tatenlos zusehen!

Verweigert den Heuchlern die ‚Solidarität‘, lasst sie am Donnerstag unter sich!