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Tunix
Januar 1978 – Revolutionäre Guerilla-Opposition aus der Konkursmasse
der Bewegung 2. Juni
Der Tunix-Kongress fand 1978 kurz nach dem „Deutschen Herbst“ in
West-Berlin statt. Völlig überraschend kamen zu dem Kongress 20 000
TeilnehmerInnen aus der linken Szene und der aufkommenden Alternativbewegung.
Zu dem Kongress schrieb ein Teil der Bewegung 2. Juni aus dem Knast einen
Diskussionsbeitrag. Unterschrieben wurde der Beitrag mit „RGO Revolutionäre-Guerilla-Opposition
aus der Konkursmasse der Bewegung 2. Juni“, Dieser Name war für den
Teil draußen der Bewegung 2. Juni die nackte Provokation, und auch so gedacht.
Sie sollten zu einer Auseinandersetzung mit der alten Basis und der restlichen
Linken gezwungen werden. Dadurch wurde zum ersten Mal in der Öffentlichkeit
deutlich, dass sich verschiedene Fraktionen in der Bewegung 2. Juni herausgebildet
hatten.
Die tausendfache Angst wird tausendfach, bewacht! Der tausendfache Krampf
wird tausendfach belacht! Der tausendfache Brand wird tausendfach entfacht!
Zum Treffen in TUNIX
Wir finden es gut, dass hier Genossen die Initiative ergriffen haben, um
eine längst fällige Auseinandersetzung in Gang zu bringen. Wir fänden
es noch besser, wenn über Tunix endlich ein Ansatz geschaffen würde,
die totale Zersplitterung der Linken zu überwinden. Es müssen ja nicht
gleich alle mit der gleichen Farbe den gleichen Stern an die Wand malen. Es würde
schon reichen, gemeinsam nach TUWAS aufzubrechen. Wir bilden uns nicht ein, aus
der „Geborgenheit“ des Knastes heraus die in den letzten Jahren für
Kampf und Widerstand entstandenen Schwierigkeiten besser beurteilen zu können
als die Genossen, die sich im täglichen Kleinkrieg damit herumschlagen müssen.
Aber ein paar kritische und selbstkritische Kleinigkeiten hoffen wir doch zur
Diskussion beitragen zu können.
Die Zersplitterung überwinden!
Worauf es uns hier und heute ankommen muss, wenn wir uns nicht allesamt ein
politisches Massengrab schaufeln wollen, ist unsere Zersplitterung überwinden,
endlich wieder über den Horizont unserer Minigruppen hinausschauen. Während
sich die Linken in diesem Land die Hirne gegenseitig einreißen, blasen
die Rechten zum Sammeln. Die beispiellose Offensive der Reaktion in den letzten
Jahren ist nicht zuletzt durch das heillose und widersinnige Gegeneinander der
hunderten von Gruppen und Grüppchen möglich geworden. Nicht nur die
Zugeständnisse des Kampfes der Jugend- und Studentenrebellion sind ersatzlos
gestrichen worden, sondern der staatliche Machtapparat konnte widerstandslos
in einem Maße ausgebaut werden und die Kontrolle aller Lebensbereiche herstellen,
wie es totaler selbst im Dritten Reich nicht möglich war. Dass die Methoden
heute differenzierter sind, die damalige exzessive Brutalität in der direkten
Konfrontation noch nicht erreicht ist, soll die Optik nicht trüben, liegt
ausschließlich daran, dass sie es bei der Schwäche der Linken nicht
nötig haben. Die zersplitterte, resignierte und/oder in Dogmatismus verrannte
Linke ist derzeit nicht in der Lage, die kapitalistische Ordnung zu gefährden.
Die Aufsplitterung der Linken in aberdutzende Gruppen hat es den Herrschenden
verdammt leicht gemacht, sie zu isolieren, die Gefährlichkeit und Anziehungskraft
des geballten Aufbegehrens der Straße zu paralysieren. Vor allem auch untereinander
isoliert, borniert dem vermeintlich gefundenen „Einzig-Wahren-Weg“ folgend,
sich zerschleißend im Konkurrenzkampf gegen die Abweichler um die Ecke,
ist die gesamte antikapitalistische Opposition in der Sackgasse gelandet.
Die Alternativen
Die einen, die sich Freiräume erkämpft zu haben glaubten, machten
sich mit Eifer daran, sie mit Alternativprojekten zu füllen. In der Euphorie
des scheinbaren Sieges übersahen sie, dass es unmöglich ist, aus dem
Zusammenhang und den Bedingungen der Gesellschaft auszuscheren, ohne die Bedingungen
selbst zu ändern, statt die Projekte zur Ausgangsbasis für den nächsten
Schritt zu machen, zur Grundlage für die Ausweitung des Kampfes eben klarzumachen,
dass es gilt, die eigenen Interessen durchzusetzen, wenn man nicht die der Herrschenden
erfüllen will, ging es nur noch darum, die Überlegenheit ihrer Arbeit
zu beweisen. Dieses Rechtfertigungsbewusstsein führt dazu, dass Kompromiss
auf Kompromiss geschlossen wird, um das Projekt nur ja zu retten – bis
es nur noch eine Karikatur des ursprünglichen Konzepts war. Was als alternativ
zur Gesellschaft gedacht war, endete als Alternative zum Kampf. Das Widerstandsbewusstsein
verkümmerte zur Sozialarbeiterhaltung. Die Kompromisse zur Sache summierten
sich zur Kompromittierung des Bewusstseins. So ist es bei den meisten Projekten
verlaufen. Und der kleine Rest wurde und wird mit anderen Mitteln diszipliniert
oder zerschlagen.
Der Marsch durch die Institutionen
Und wo sind die Marschierer durch die Institutionen? Sie haben sich angepasst
oder sind geflogen. Verändert haben sich nur die Marschierer, der Apparat
dient der Reaktion wie eh und je. Was wahrscheinlich auch das einzig vorausschaubare
war. Denn wer von ihnen an die Schaltstellen der Institution gelangen will, muss
erstmal die Aufgaben des Apparates erfüllen und er muss sie besser erfüllen
als andere. Das heißt, der Funktion des Staatapparates nämlich die
Ordnung der Herrschenden zu schützen – besser gerecht werden als andere.
Wer die Schaltstellen erreicht, hat diese Funktion erst einmal erfüllt.
Diese Genossen sehen im Staat ein technisches Vehikel das sich für jeden
und alles funktionalisieren lässt, ein neutrales Gemeinwesen, in dessen
Rahmen sich ungestört Klassenkämpfe entfalten und Machtpositionen beliebig
ausfüllen lassen, eine Wettlaufstrecke, bei der es nur darum geht, als erster
durchs Ziel zu kommen. Die Genossen übersehen, dass der Staat ein Instrument
mit ganz bestimmten Funktionen ist. Die Funktion des bürgerlichen Staates
ist es nun mal eben, die kapitalistische Gesellschaftsordnung zu schützen
und aufrechtzuerhalten. Und für die Erfüllung eben dieser Funktion
ist das Instrumentarium geschaffen. Selbst wenn es bisher Machtlosen gelingen
sollte, die Macht zu erringen, nutzt ihnen dieses Instrumentarium nichts – es
sei denn sie sind lediglich an einem Rollentausch interessiert. Für eine
grundlegende Umwälzung der Gesellschaft, für eine herrschaftslose,
menschliche Ordnung nutzt uns dieser Staat nicht im Geringsten. Er steht uns
im Weg.
Die lieben Widersprüche
Natürlich ist das jetzt alles sehr pauschal. Und es ist keineswegs so,
dass jeder Genosse, der um ein Alternativprojekt gekämpft hat oder den Kampf
in die Institutionen tragen wollte, sich korrumpieren lassen hat. Es gibt genug
Beispiele dafür, wo das nicht passiert ist. Aber diese Genossen sind nicht
mehr in den Institutionen.
Wir sagen nicht, dass es falsch ist, als Lehrer oder Sozialarbeiter in Schule
oder Jugendheim ein Bewusstsein für die eigenen Interessen zu wecken, Jugendlichen
die Zusammenhänge ihrer beschissenen Situation klarzumachen den Widerstand
als Alternative zur Anpassung und Selbstaufgabe zu propagieren.
Wir sagen, dass der Widerspruch zwischen aufgetragener Funktion und konsequenter
revolutionärer Arbeit zu einem Punkt führt, an dem man sich vor lauter
Taktiererei in Reformismus verliert, wenn man nicht bereit ist, auch die persönlichen
Konsequenzen zu ziehen. Konsequent sein heißt in diesem Zusammenhang, die
Legalität zu durchbrechen, die aufgetragenen Funktionen nicht mehr zu erfüllen,
sondern zu sabotieren. Besonders deutlich wird es am Beispiel des Knasts. Wer
etwa meint, revolutionäre Arbeit mit der Funktion als Schließer vereinbaren
zu können, macht sich bestenfalls lächerlich. Er schließt die
Türen wie jeder andere. Konsequenzen ziehen hieße, die Türen
auf und nie wieder zuzuschließen. Alles andere ist nur Verschleierung der
Brutalität, reformistische Taktik der Konfliktvermeidung. Revolutionäre
Politik hat nichts mit punktueller Konfliktüberwindung zu tun, sondern mit
Sabotage gegen die Funktionen von Herrschaft. Und nur so kann der Marsch durch
die Institutionen als revolutionäre Politik verstanden werden.
Den Staat abschaffen, nicht reformieren!
Kritisch auseinandersetzen müssen wir uns auch mit den Vertretern einer
anderen Position, die besonders bei den militanten und den bewaffneten Gruppen
maßgeblich geworden ist, die Fixierung auf den Staat als das scheinbar
einzige Grundübel, das nur beseitigt zu werden braucht, und einer sozialen
Neuordnung stünde nichts mehr im Wege. Diese Genossen verkennen, dass der
bürgerliche Staat nicht die Ursache der gesellschaftlichen Verhältnisse
ist, sondern deren Wirkung. Und zwar nicht deren alleinige. Denn die Bereitschaft
der viel zitierten Massen zur Unterordnung beruht nicht allein auf der Gewalt
des staatlichen Machtapparates.
Die geballte Macht der Desinformation durch Massenmedien, Schule und faschistischer
Massenliteratur, die Manipulation durch Kontrolle von Vertreterorganisationen,
wie Gewerkschaften und so genannten Massenparteien, die ideologischen Verwirrspiele
und das Angebot von Scheinalternativen zur Ab- und Umlenkung von Unmut und Aggressionen,
und vor allem die soziale Bedrohung durch Arbeitslosigkeit, Berufsverbote und
die Abschiebung von ausländischen Kollegen sind nicht zu unterschätzende
Mittel von Herrschaft. Zum einen macht also das Projekt der Zerschlagung des
Staates alleine noch keine soziale Revolution aus, weil damit noch lange nicht
das kolonisierte Bewusstsein der besagten Massen zerschlagen ist, zum anderen – oder
vielmehr deswegen – ist dieses isolierte Projekt von vornherein zum Scheitern
verurteilt, denn ein paar mehr müssen wir dazu schon sein. Und das werden
wir mit Sicherheit nicht, wenn wir die Ansatzpunkte, die die soziale Misere der
Menschen und ihre Verunsicherung bietet, ignorant übersehen, anstatt zu
intervenieren und die allgemeine Konfrontation voranzutreiben. Wir wollen hier
keineswegs dem Massenopportunismus das Wort führen. Wenn zehn Leute sagen,
der Himmel ist eine Banane, und einer sagt, der Himmel ist keine Banatle, dann
heißt dass noch lange nicht, dass die Mehrheit Recht hat. Wir können
nicht sagen: das Bewusstsein der Massen ist noch nicht so weit, sondern wir müssen
fragen, wie dieses Bewusstsein Stück für Stück aufzubrechen ist.
Unsere Isolation im Volk
An diesem Punkt haben auch wir aus der Guerilla uns zu fragen, inwieweit
wir unsere Isolation nicht selbst mitverschuldet haben. Von den – leider
viel zu wenigen Aktionen, zum Beispiel gegen Kaußen, MAN, BVG, Paragraph
218 mal abgesehen, sind die Mehrzahl der Genossen von der Politik der bewaffneten
Intervention abgekommen und versuchen sich in einer rein militärischen Auseinandersetzung
mit dem Staatsapparat. Wir haben damit das uns zugewiesene Ghetto akzeptiert,
anstatt aus ihm auszubrechen. Sicherlich hat auch das Fehlen der öffentlichen
Auseinandersetzung mit den anderen Teilen der Linken dazu beigetragen – aus
der Furcht heraus, der Staat könnte sie für die psychologische Kriegsführung
gegen uns nutzen, wurde Kritik abgetan und als Bullenpropaganda hingestellt.
Unsere Optik war verstellt durch die Gleichsetzung der Linken mit Typen wie Cohn
Bendit, SB oder Langer Marsch, die öffentlich zur Denunzierung von Genossen
aufgerufen haben, oder – wie in Frankfurt den Bullen gleich die ganze Arbeit
abnehmen? Indem sie Sympathisanten-Karteien anlegen. Mit diesen Hilfsbullen kann
es auch weiterhin keine Auseinandersetzung auf dieser Ebene geben.
Kritik am RAF-Konzept
Als eine Form der Resignation betrachten wir die Einwendung von bewaffneten
Gruppen zu einem neuen antiimperialistischen Konzept. Die Genossen sagen, dass
aufgrund der Korrumpierung der Massen in der Metropole BRD eine breite Entwicklung
proletarischer Gegenmacht unmöglich, der Aufbau einer sozialen Widerstandsbewegung
sinnlos ist. Aufgrund der Tatsache, dass die Völker der Dritten Welt am
stärksten unterjocht und ausgebeutet werden, gehen sie davon aus, dass nur
diese die Basis für einen weltweiten revolutionären Kampf bilden können.
Sie betrachten die BRD nur als militärisches Operationsfeld und richten
ihre Politik danach aus. Wir können diese Position nicht übernehmen:
Selbstverständlich muss die praktische Solidarität mit den Völkern
der Dritten Welt und deren Befreiungskämpfen ein wesentlicher Bestandteil
unseres Kampfes sein. Aber die beste und wirksamste Solidarität mit diesen
Völkern ist der Aufbau einer starken revolutionären Widerstandsbewegung
hier, die es dem kapitalistischen Staat verunmöglicht, seine imperialistischen
Interessen zu verwirklichen. Es ist Fatalismus, die derzeitige Schwäche
des revolutionären Lagers als gegeben und unveränderbar hinzunehmen.
Die sich verschärfende Krise des Kapitalismus setzt auf allen Ebenen ein
immer größer werdendes Potential frei, auf das es sich zu konzentrieren
gilt. Die Aussage ist eindeutig, wenn Schmidt sagt, dass den Terroristen heute
die Grundlage entzogen werden muss, wenn nicht morgen das Heer der jugendlichen
Arbeitslosen zu ihnen abgleiten soll, oder wenn Kohl feststellt, dass sie verloren
haben, wenn der Terrorismus in den nächsten fünf Jahren nicht restlos
zerschlagen wird. Und die massive Aufrüstung des Staatsapparates erfolgt
beileibe nicht wegen der derzeit schwachen – und sowohl ökonomisch
als auch militärisch äußerst uneffektiven Guerilla. Selbst wenn
es sogar noch Linke gibt, die diesen Schwachsinn verbreiten. Natürlich werden
wir niemanden von der Notwendigkeit revolutionärer Politik überzeugen,
wenn sich diese Politik gegen ihn selbst richtet. Wir haben uns alle von den
faschistischen Bomben in den Bremer, Hamburger und Kölner Hauptbahnhöfen
distanziert. Wir haben alle und immer gesagt, die Aktion und Politik der Guerilla
richtet sich niemals gegen das Volk, immer gegen die Herrschenden. Aber: wer
sitzt da eigentlich in den Urlauber-Maschinen der Billigst-Route nach Mallorca?
Das Volk und die Guerilla
Der Genosse Werner Sauber hatte im Januar 1975 in einer Analyse zum antiimperialistischen
Konzept folgendes geschrieben: „Eine praktische Auseinandersetzung über
die Verbindung des bewaffneten Kampfes mit militanten Proleten wird von den Genossen
nicht akzeptiert. Stattdessen machen sich die Genossen als revolutionäre
Geheimdienst-Truppe stark, die nur in den Befreiungskriegen der drei Kontinente
ihre Basis sieht. Ihrem antiimperialistischen Konzept entsprechend wäre
es besser gewesen, sich einer Befreiungsbewegung der Dritten Welt anzuschließen
und von dieser konkreten Basis aus gegen die Metropolen zu kämpfen. So aber
sind die Genossen weder Fisch im Wasser, noch Vogel in der Luft. Mit unterdrückten
Randgruppen oder den Linken wird nur zusammengearbeitet, um neue Kräfte
für den antiimperialistischen Kampf zu gewinnen, nicht aber, um die unterdrückten
Klassenkämpfer in den Metropolen selbst stark zu machen. Der Kampf muss
aus dem alltäglichen Widerstandsverhalten kommen, mit dessen Hilfe die Arbeiter
mehr schlecht als recht unter dem kapitalistischen Belagerungszustand leben.
Nur von dieser Alltagssituation aus konkretisiert sich jeglicher Widerstand.
Wenn er stattdessen nur den imperialistischen Überbau angreift, ohne in
den Fabriken und Stadtteilen verankert zu sein, kann der kapitalistische Staat
ihn ohne große Schwierigkeiten mit polizeitaktischen Mitteln einkreisen
und vernichten. Die Folge ist schließlich, dass am Aufbau einer Roten Armee
gearbeitet wird, die zunächst als Gerippe für sich steht. Die Bomben,
die sie schmeißt, hofft sie ins Bewusstsein der Massen zu werfen. Die revolutionäre
Gewalt wird so zur Aufklärung reduziert. Sie entsteht nicht aus dem Kampf
und der Unterdrückungserfahrung der Klasse und wird folglich auch nicht
zum Mittel der Gegenmacht. Daraus ergibt sich eine sympathisierende Zuschauerhaltung,
solange die Gejagten nicht gefasst werden, eine ohnmächtige Passivität
bei der Auseinandersetzung zwischen dem Terror des Staates und dem antiimperialistischen
Kampf der Genossen.“ In ihrer Gesamtheit ist diese Einschätzung auch
heute noch richtig. Sicherlich ist es problematisch, heute pauschal von dem Arbeiter
zu sprechen? der da mehr schlecht als recht unter dem kapitalistischen Belagerungszustand
lebt. Die Verbürgerlichung eines großen Teils der Arbeiterschaft aufgrund
ihres sozialen Aufstiegs bleibt dabei ebenso unberücksichtigt wie andererseits
die spezifische Situation von Frauen, Arbeitsimmigranten, Arbeitslosen und Jugendlichen.
Alltägliches Widerstandsverhalten
Der zentrale Punkt ist, dass sich der Kampf aus dem alltäglichen Widerstandsverhalten
herausbilden und entwickeln kann und muss. Die Bereiche, in denen das geschieht,
und die in diesen Bereichen gebundenen Menschen lassen sich heute nicht mehr
in den Kriterien traditioneller Klassenbegriffe erfassen. Am deutlichsten wird
dies bei den militanten Ansätzen der Anti-AKW-Bewegung, bei denen vom Bauern
bis zum Uni-Professor alles zu finden ist.
Den Kampf aus dem alltäglichen Widerstandsverhalten heraus entwickeln
heißt beispielsweise auch,
- aus einer Demo heraus ein Bullen-Revier oder Rathaus klein zu machen, wenn
ein besetztes Haus wie die Feuerwache geräumt und abgerissen wird.
- Springers Verkaufskästen und Lieferwagen anzuzünden, wenn unsere
Drucker verhaftet werden.
- Klau-Ins in Kaufhäusern zu machen, wenn die Lebensmittelpreise steigen
(die Kasse nicht vergessen!).
- KOBs bis auf die Unterhose ausziehen und an einen Laternenpfahl binden,
wenn sie zuviel schnüffeln (ne Tracht Prügel tut‘s auch!)
- Oder schweinischen Frauenärzten die Praxis renovieren oder mit Schlachterabfall
auffüllen.
Ansatzpunkte gibt es mehr als genug, und der Phantasie sind keine Grenzen
gesetzt. Und praktische internationale Solidarität lässt sich am besten
beweisen, wenn Firmen abbrennen, die Waffen in den Iran oder Kernkraftwerke nach
Südafrika liefern.
Legalität – wessen Legalität?
Und natürlich wird an diesem Punkt von anderer Seite wieder die Frage
nach Gewalt, Legalität und Illegalität aufgeworfen werden. Legalität,
das ist das, was die Herrschaftsordnung nicht gefährdet. Wer die kapitalistische
Ordnung über den Menschen beseitigen will und vor allem danach handelt,
ist illegal. Dass auch nicht gleich jeder Systemveränderer in den Knast
gesteckt wird, heißt noch lange nicht, dass es eine legale Möglichkeit
gäbe, die Herrschenden von ihrem Sockel zu stoßen. Die Noch-Nicht-Illegalisierung
kann bedeuten, dass es für den Staat praktischer ist, weil legale Gruppen
leichter zu kontrollieren sind, oder dass deren Praxis nicht relevant ist, oder
dass die offene Illegalisierung derzeit mehr Schaden als Nutzen bringen wurde,
oder alles zusammen: Legalität ist keine feste Größe, Legalität
ist eine Machtfirage.
Im Dritten Reich wurden Gesetze für alles geschaffen, was passierte
geschah im Rahmen der Legalität. Das ist heute nicht anders. Wer den Rahmen
der Legalität immer achtet, achtet irgendwann die Legalität des Faschismus.
Wir sind doch nicht diejenigen, die bestimmen, was in diesem Staate illegal ist.
Zum Beispiel Das Info-BUG
Nehmen wir doch einmal das Beispiel Info-BUG. Ein Organ, in dem die Diskussion
und die Positionen der Linken publiziert werden, wird kriminalisiert. Für
die Info-Macher haben sich daraus zwei Alternativen ergeben: Einmal wird ein
sog. Konspi-Info gemacht, das die für uns alle wichtige Funktion weiter
erfüllt, die Macher können ihr Risiko klar einschätzen, was wie
sich zum Beispiel bei den Druckern gezeigt hat – nicht nennenswert höher
liegt als beim alten Konzept. Zum anderen wird ein BUG gemacht, mit presserechtlich
Verantwortlichem, die schon aufgrund ihrer eigenen Gefährdung an Selbst-Zensur
interessiert sein müssen. Während sich die einen den veränderten
Bedingungen angepasst haben, geben die anderen freiwillig Positionen auf. Das
Witzige an der Geschichte ist, dass ausgerechnet die Vertreter der legalistischen
Alternative sagen, dass sie es wären, die die Positionen behaupten. Wir
sagen nicht, dass die legalen Möglichkeiten des Kampfes nicht genutzt oder
nur vernachlässigt werden müssen. Sondern: dass nicht die bestehende
Ordnung den Rahmen unseres Kampfes abstecken kann, sondern das Ziel: die Revolution!
Nicht die Legalität bestimmt unsere Aktivität, sondern unsere Taktik
im Rahmen der revolutionären Strategie.
Zur Gewaltfrage
Die Frage der Gewalt ist an sich schon wieder müßig. Die tägliche
Lektüre einer x-beliebigen Zeitung macht deutlich, von wem die Gewalt ausgeht.
Wir können niemanden daran hindern, die linke Wange hinzuhalten, wenn er
auf die rechte geschlagen worden ist, die Illusion aber, dass er damit ein für
allemal sein Pensum hinter sich gebracht hätte, sollte inzwischen jeder
aufgegeben haben. Wir, das heißt all diejenigen, die von diesem Staat nicht
mehr vereinnahmbar sind, müssen begreifen lernen, dass wir angesichts eines
bis an die Zähne bewaffneten Staates in der Durchsetzung unserer Bedürfnisse
und Interessen auf bewaffnete revolutionäre Gruppen nicht verzichten können.
Wir müssen uns heute darüber im Klaren sein, dass wir an einer gewaltsamen
Auseinandersetzung mit diesem Staat nicht vorbeikommen. Das muss als politische
Notwendigkeit und allerdings nicht als Fetisch begriffen werden.
Wie kommen wir weiter?
„Die Bewegung als solche, ohne Beziehung auf das Endziel, die Bewegung
als Selbstzweck ist uns nichts; das Endziel ist uns alles.“ (Rosa Luxemburg).
Wir kommen alle nicht aneinander vorbei. Und warum sollten wir auch? Wenn
wir weiterkommen wollen, werden wir uns gezwungen sehen, endlich einmal zu dem
Punkt zu finden, wo Widerstand nicht mehr von Widerstand zu trennen ist, wo Genossen
es nicht mehr nötig haben, verschiedene Formen des Widerstandes auseinander
zu dividieren. Wir sollten begreifen, dass wir in der Vielschichtigkeit der Auseinandersetzung
nicht nur gegenseitigen Nutzen ziehen, sondern auch aufeinander angewiesen sind.
Nur der kompromisslose Kampf auf allen Ebenen führt dorthin, wo wir in der
Tat eine „große Familie“ sind, die Distanzierung, wenigstens
innerhalb des undogmatischen Lagers, an dem Nagelbrett der Geschichte spießen,
linkes Spießertum, Konkurrenzdenken und Anfeindungsversuche überwunden
sind.
Und das ist klar: auf dem Weg zum Strand müssen wir auch das Pflaster über
unseren Hirnen aufreißen.
Für den offensiven Kampf in allen Lebensbereichen
Für die Organisierung des totalen Widerstandes – hier und heute!
Für eine revolutionäre Guerilla-Bewegung
RGO – Revolutionäre Guerilla-Opposition aus der Konkursmasse der
Bewegung 2. Juni (Januar 1978) |
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