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Mit dem Rücken zur Wand?
Januar 1975 – Eine Analyse von Werner Sauber
Werner Sauber arbeitete in den 70er Jahren, unter anderem mit Karl Heinz
Roth, am Aufbau von militanten Fabrikgruppen im Ruhrgebiet.
Dieses Papier fand in der militanten Linken und auch in der „Bewegung
2. Juni“ breite Beachtung. Werner Sauber wurde 1975 von den Bullen erschossen.
Die Krise
Die Arbeiter haben sich nach den Kämpfen der letzten Jahre zurückgezogen.
Der Angriff der Unternehmer, der zunächst vor allem den ausländischen
Arbeiterinnen und Arbeitern und den jungen deutschen Hilfsarbeitern galt, trifft
jetzt die ganze Arbeiterklasse.
Jede verallgemeinernde Beschreibung der Krise wirkt neutralisierend und ist
zu weit weg von der brutalen Wirklichkeit. Wir alle ahnen nur, was auf uns zukommt.
Weil mit dem Arbeitsplatz zunächst die Sicherheit und dann das Selbstbewusstsein
verloren geht, kann Entlassung nur als Versagen gegenüber Frau, Kindern
und Gesellschaft begriffen werden. Das Gefühl der Ohnmacht schafft Verzweiflung.
Der Sommer 1973 war der kurze Sommer des Aufatmens, des Muts, der Hoffnung
auf neue Menschlichkeit in den Betrieben. Für die Unternehmer war es ein
Sommer der Kopflosigkeit, der Unsicherheit und der Angst. Gerade deshalb kam
ihre Antwort auf die Forderungen – langsamere Bänder, kürzere
Arbeitszeit, keine Lohngruppen, mehr Pausen und mehr Urlaub – schnell und
militärisch. Sie reagierten erst mit Knüppelaktionen, dann mit gezielten
Entlassungen, und zuletzt nahmen die Massenentlassungen den Charakter eines schweren
Rundschlages gegen die Unruhe und Wut über verschärftes Arbeitstempo,
Gesundheitsverschleiß und sinnlose Arbeitsinhalte an. Im Mai 1974, mit
Amtsantritt von Helmut Schmidt, werden die Unternehmerauswüchse zur gehobenen
Norm.
Die deutschen Facharbeiter spüren den Druck nicht in der gleichen Härte
wie die Türkinnen, Griechinnen, Jugoslawinnen, Spanierinnen und ihre Männer.
Der Druck ist vielfältig: Massenentlassungen, Razzien, Abschiebeaktionen,
Kindergeldkürzungen bei den ausländischen Arbeiterinnen und Arbeitern.
Lehrstellenstop, Druck in den Berufsschulen, Räumung vieler Jugendzentren
bei den Lehrlingen. Der Druck setzt sich bei denen fort, die oft schwankend zwischen
den Ausgebeuteten und der Staatsseite stehen: Vertragskürzungen und
Beschneidung der Aktionsmöglichkeiten bei den Sozialarbeitern, Versetzungen,
Kündigungen, Berufsverbote bei den Lehrern und anderen Berufen des öffentlichen
Dienstes. Auch bei den linken Gruppen, die versuchen, in den proletarischen Minderheiten
aufzugehen, ist die Schonzeit vorbei. Die Aktion „Winterreise“ (bundesweite
Durchsuchungswelle nach der Erschießung von Drenkmann 1974) war der bisher
größte Polizeiangriff in der bundesrepublikanischen Geschichte. Der
Sturm auf die 100 Wohnungen und Wohngemeinschaften war alles andere als sinnlose
Bullendemonstration. Es war eine Aktion, die Angst und Schrecken genau da verbreiten
sollte, wo sich soziale Widerstandsbewegungen in Betrieben, Ausländerghettos,
Jugendzentren und Knästen zu verbinden drohen.
Seit Mai 1974, seit Helmut Schmidt, wird die Krise einerseits als Instrument
der Kontrollerneuerung über die arbeitenden Massen benutzt; sie wird andererseits
gezielt gegen die rebellierenden Minderheiten eingesetzt, an denen Vernichtungs-
und Abschiebehaft praktiziert wird.
Zur Lage in den Betrieben
Danach gefragt, fassen sich heute die meisten kurz: „Entlassungen wohin
du siehst; dagegen kannst du nichts machen, nicht auffallen, sehen, wie du über
die Runden kommst, mehr ist nicht drin.“ Allerdings ist die Entlassungswelle
erdrückend. Insgesamt sind jetzt über eine Million arbeitslos. Am stärksten
betroffen sind: Frauen, Ausländer und junge deutsche Hilfsarbeiter.
Die erste große Entlassungswelle setzte vor eineinhalb Jahren in den
Streikzentren der Auto- und Autozulieferindustrie ein. Ihr folgten mehrere Phasen
der Kurzarbeit. Eine neue große Entlassungswelle läuft gegenwärtig
ab. Ihr Vorspiel, „freiwillige Entlassungen“ mit Abfindungen, hat
schon stattgefunden. Abfindung heißt hier: es wird nach dem vorangegangenen
Monatslohn kalkuliert, wie lange das zusätzlich gezahlte Geld zum Leben
reichen muss, erst dann gibt es Arbeitslosengeld. Wie viele Millionen Mark sind
die Unternehmer eigentlich bereit zu zahlen, um Fabrikbesetzungen zu verhindern
und die erstickten Klassenkämpfe unter Kontrolle zu halten.
Gerade die langfristige Entlassungsstrategie ist stärkstes Mittel der
Disziplinierung. Wer aufmuckt, fliegt zuerst. Dann folgen die, mit denen in der
neuen Arbeitsorganisation nichts angefangen werden kann. Denn gegen sie zielt
letztenendes der Hauptangriff der Unternehmer. Aufgrund der letzten Streikerfahrungen
wird das bisherige Fließbandsystem als wirkungsvollstes Ausbeutungsinstrument
in frage gestellt. Es wird offen anerkannt: die bisherigen Spaltungsmechanismen
können die Arbeiter in diesen Sektoren nicht mehr in Schach halten. Die
Unternehmer begegnen ihnen in zwei Richtungen.
Die 1. Richtung versucht, durch eine scheinbar überschaubar gemachte
Arbeitsorganisation im Bewusstsein des Arbeiters eine neue Identität mit
dem Arbeitsprodukt und damit mit dem Ausgebeutetwerden herzustellen. Die Fließbandarbeiter
werden immer häufiger in „homogene Gruppen“ organisiert. Dadurch
soll die Kontrolle über die Arbeitsleistung an die Arbeiter selbst delegiert
werden (neue Gruppenprämien). In einigen Autokonzernen werden die Arbeiter
zusätzlich hinsichtlich ihrer Gruppeneignung überprüft und in
besonderen Anlernverfahren zu neuen künstlichen Facharbeitern aufgemöbelt.
Beispielhaft für die 2. technologische Richtung des Kapitals ist die
Einführung des neuen Doppelgurtfließbands von Bosch, wo klassische
Fließbandstrecken mit zwischengeschalteten Teilautomatisierten Einzelarbeitsplätzen
oder gar Arbeitsautomaten kombiniert sind. Dadurch soll zweierlei erreicht werden:
einerseits die Isolierung der Arbeiter am Band voneinander, andererseits sollen
die Arbeiter ständig ihre mögliche Ersetzbarkeit durch computergesteuerte
Produktionsabschnitte vor Augen haben. Nicht zuletzt wird dadurch an allen Arbeitsstellen
durch die nochmalige Zerlegung aller Handgriffe in Kleinstzeiten die Ausbeutung
intensiver. Die Arbeiter müssen sich dieser Konkurrenzsituation unterwerfen.
Es ist klar, dass die erste Richtung, die scheinbare Arbeitshumanisierung, die
Aufgabe hat, das Alibi für die zweite – die totale Versklavung in
der Arbeitsgemeinschaft von Industrierobotern – zu liefern. Der Zwang zur
Mehrwertproduktion führt nicht zur Aufhebung, sondern zur Neustrukturierung
der Massenarbeit. Es kann sein, dass eine Menge stumpfsinniger Teilarbeiten der
Fließbandepoche verschwindet – aber nur deshalb, damit der Automatenkontrolleur
und der Arbeiter, der mehrere Teilautomatisierte Maschinen gleichzeitig bedienen
muss, noch mehr als je zuvor an die Produktionsanlage gekettet wird.
So scheint es, als würde gegenwärtig eine Endstufe kapitalistischer
Herrschaft erreicht. Das große Aufräumen hat bis in die Konstruktions-
und Entwicklungsabteilungen hinein begonnen. Auch die hier zusammengeballten
Arbeiten werden mittels des Computers in monotone Routinearbeiten zerlegt. Es
kann nur eine Frage der Zeit sein, bis die davon betroffenen Kollegen Kopfarbeiter
ihre Lage klar erkennen und dagegen zu rebellieren beginnen.
Aber davon ist gegenwärtig weder hier noch in den unmittelbaren Produktionsbereichen
etwas zu spüren. Das liegt nicht zuletzt daran, dass die Unternehmer seit
dem Schock des Sommers 1973 nicht mehr kurzfristig und kopflos vorgehen, sondern
ihre Investitionen innerhalb einer auskalkulierten gesamtwirtschaftlichen Taktik
verändern. Nicht alles Fließbandkapital wird abgeschafft. Dafür
ist die Mehrwertmasse, die aus der Ausbeutung am Fließband hervorgeht,
zu bedeutend. Wenn die Fließbänder in der Metropole BRD nicht mehr
reibungslos laufen, stellen die Unternehmer sie entweder um – oder aber
sie entschließen sich, sie an die europäische Peripherie und mehr
noch in die stabilsten außereuropäischen Wirtschaftsgebiete zu exportieren.
Seit neuestem werden beispielsweise die Fordarbeiter durch Gerüchte verunsichert,
Ford Europa plane, wichtige Produktionsabschnitte nach Spanien zu verlegen. Das
ist kein Einzelfall. Die meisten Konzerne operieren so, sobald der Arbeiterwiderstand
in der BRD für sie zu teuer wird.
Zur Lage in den Ballungsräumen
Die Verschärfung der Betriebssituation hat unmittelbare Auswirkungen
auf die Arbeiterviertel. Je nachdem, welche Konzerne die regionale Umgebung kontrollieren,
fallen die gesellschaftlichen Folgen aus. Je mehr ausländische Arbeiterinnen
und Arbeiter entlassen werden, desto härter gehen die regionalen Behörden
gegen sie vor, und das vor allem in den Gebieten ihrer stärksten Konzentration.
Vor allem auf dem Weg zur Arbeit, auf der Straße oder in der Bahn werden
illegale Ausländer kontrolliert, gejagt und abgeschoben. Zuzugsperren sollen
die Ausländerghettos wieder für die Staatsgewalt durchschaubarer machen.
Die Familienzusammenführung, eine entscheidende Überlebensfrage der
Emigranten, um nicht nur als Industriesklaven in Wohnbaracken zu vegetieren,
wird durch Kindergeldkürzungen und Aufenthaltsbeschränkungen erschwert.
Aber nicht nur die Emigranten sind bedroht. Auch den jungen deutschen Arbeitern
geben die Unternehmer zu verstehen, dass sie sie angesichts der gegenwärtigen
Produktionsveränderung zum Ausschuss zählen. Je nach Industriegebiet
machen die jungen Arbeitslosen ohne Schulabschluss bis zu 15 Prozent aller Stillgelegten
aus. Gesamtwirtschaftliche Maßnahmen zur Fortbildung (Ausbau des Schul-
und Berufssystems, Berufsförderung) werden von
den Kapitalisten glatt abgelehnt. Um so lauter rufen sie nach einem noch
perfekteren Polizeiapparat, um jeden sozialen Widerstand der jungen Arbeitslosen
von vornherein zu ersticken. Die Ansätze dazu, etwa Jugendzentren, werden
regelmäßig angegriffen. Die Jugend- und Rockerdezernate werden ausgebaut.
Schließlich wird bei Leuten, denen es ohnehin schon am schlechtesten
geht, den proletarischen Frauen, die Schraube weiter zugedreht. In den Betrieben
werden die Leichtlohngruppen wieder eingeführt – soweit sie nicht
trotz der Kämpfe der letzten Jahre unangefochten geblieben waren. Fortschrittliche
Abtreibungsparagraphen werden von der Justizmafia gestrichen. Die Rebellion der
Frauen wird plattgetreten. Nichts soll weiterexistieren, was den Befreiungskampf
der Arbeiterinnen ermutigt. Gegen die überausgebeuteten Schichten der Arbeiterklasse
ist der Belagerungszustand verhängt, während sich die Lage der gesamten
Arbeiterklasse zunehmend verschlechtert.
Die Regierung Schmidt: Knüppel
aus dem Sack für eine neue imperialistische Großmachtpolitik.
Auf dem Hintergrund einer Spionageaffäre gelang es dem westdeutschen
Kapital im Mai 1974, einen Kurswechsel in der Regierungsspitze durchzusetzen.
Schmidt-Genscher ist die derzeit rechteste Regierung der BRD, die möglich
ist. Angesichts der laufenden Umwälzungen in der Produktion benötigen
die Manager der großen Wachstumsindustrien ein Regime, das es schafft,
wirtschaftspolitische Veränderungen großen Stils mit schärfsten
Unterdrückungsmaßnahmen gegenüber allen Widerstandsansätzen
aus den Reihen der Ausgebeuteten zu verbinden. Dazu wäre eine CDU/CSU-Regierung
niemals fähig.
Diese Austauschregierung war zumindest im ersten Jahr in der Lage, größere
Zusammenstöße mit den Arbeitern zu umgehen. Und das kann nur Sozialdemokraten
gelingen in einer Zeit des faktischen Lohnabbaus und des schnellsten Anstiegs
der Arbeitslosenquote gegenüber dem Ausland. Schmidt-Genscher verstehen
das alles so zu verkaufen: „andernfalls könnte alles noch viel schlimmer
kommen.“
Mit der Schmidt-Genscher-Regierung wurden alle Ansätze zur verstärkten
staatlichen Investitionskontrolle abgebaut. Die massive Drosselung der Sozialpolitik
erweiterte schnell den kapitalistischen Bewegungsspielraum. Verschwunden ist
die Propaganda von der Verbesserung des Gesundheitswesens, des Bildungssektors,
von mehr Umweltschutz, von besserem Leben. Jetzt, da die Inflation den Exportboom
von Waren und Kapital immer mehr gefährdete, kam der Kurswechsel gerade
richtig. Er wurde mit dem Reizwort „Stabilitätspolitik“ verkauft,
und seine Folgen sind 1,5 Millionen Arbeitslose.
Inzwischen ist die Schmidt-Genscher-Regierung zur unverblümt offenen
Unterstützung der Kapitalisten aus den Arbeitern abgepressten Steuermilliarden übergegangen.
Im neuen Wirtschaftsprogramm vom 12. Dezember 1974 erklärte die Bundesregierung,
dass sie 7,5 Prozent aller Kosten für Neuinvestitionen übernimmt, dass
sie für jede Neueinstellung von Arbeitern an die veränderten Arbeitsplätze
bis Mitte 1975 60 Prozent aller Lohnkosten bezahlen wird Dank Schmidt und Genscher
wird die gesamte Arbeiterklasse zur Kasse gebeten. Erst gibt es Massenentlassungen,
dann folgen befristete Einstellungen an revoltesichere Arbeitsplätze, und,
wenn die Rechnung aufgeht, eine neue Einstellungswelle, die dankbar aufgenommen
werden soll.
Aber das ist noch nicht alles. Während die Brandt-Regierung mit den
außereuropäischen Befreiungsbewegungen noch taktierte und in Westeuropa
auf leisen Schuhen trat, folgt die Schmidt-Regierung dem harten Kurs des Wachstumskapitals:
in Europa sind die westdeutschen Unternehmer die erste Macht, sie werden mit
ihren Arbeiter noch am ehesten fertig. EWG-Entwicklungen werden vom BRD-Kapital
abhängig gemacht. So wird ein Zwei-Milliarden-Kredit an Italien gekoppelt
mit der Forderung nach dem weiteren Ausschluss der KPI aus der Regierung und
zugleich als Schweigegeld benutzt, dass die Vertuschung der Beteiligung des BND
an den Bombenattentaten in Mailand garantiert werden soll.
Wo aber Exportkapital und Kreditpolitik nicht ausreichen, da hilft mit Sicherheit
die militärische Gewalt. Die Brandt-Regierung zögerte noch vor einem
direkten Transportengagement der Bundeswehr auf USA-Seite im letzten Nahostkrieg.
Im nächsten Nahostkrieg werden im Fall einer US-Intervention gegen die Ölquellen
die Bundeswehrstützpunkte zum Hauptumschlagplatz des Nachschubs werden.
Seit Schmidt ist die Achse Washington-Bonn endgültig Wirklichkeit. Für
die USA ist Bonn zum Hauptverbündeten bei der Auseinandersetzung mit den
Rohstoffländern geworden, die BRD ist jetzt in allen wichtigen Punkten imperialistische
Großmacht. Mit Helmut Schmidt ist klar, dass auch die westdeutschen herrschenden
Machtgruppen lieber einen dritten Weltkrieg als einen Durchbruch der internationalen
Arbeiterklasse riskieren werden.
Welches sind die gegenwärtigen Widerstandsbedingungen – wo können
wir ansetzen?
Wo gibt es noch oder schon wieder Möglichkeiten von Gegenmacht? Während
die Arbeiter zur Defensive gezwungen werden, scheint die Linke tausendfach zerstückelt.
Gemeinsame Einschätzungen des Klassenfeindes finden nicht mehr statt. Angesichts
der kleinlichen fraktionellen Auseinandersetzungen, der ängstlichen Einschätzung
bewaffneter Aktionen und entmutigender Erfahrungen haben sich viele zurückgezogen.
Die Lage ist deprimierend wie fast immer, wenn der Klassenfeind die Initiative
an sich gerissen hat.
Besser ergeht es scheinbar den Reformisten. Sie verschieben seit eh und je
das Problem der Arbeitermacht auf den Tag X, um von dieser sicheren Warte aus über
die äußerst komplizierten Vorbedingungen der antikapitalistischen
Bewusstseinsentwicklung zu sinnieren. Dieses Prinzip hat sie seit über einem
Jahrhundert dem kapitalistischen Fortschritt gegenüber immer aufgeschlossener
gemacht. Wie die Sommerstreiks 1973 gezeigt haben, hat dieser Fortschrittsglaube
gelitten. Die IG Metall erklärte den Ford-Streik zu ihrer ernstesten Krise – und
in den Herbstmonaten 1973 versuchte sie alles, um hinter die Versäumnisse
zu kommen, die einen derart harten Arbeiterwiderstand hervorgerufen hatten. Ein
solcher Skandal durfte sich nicht wiederholen. Die reformistische Presse argwöhnte
bis hin zur DKP: „bei den Arbeitern sinkt die Moral, sie haben keine Lust
zu arbeiten, sie machen montags immer blau, sie interessieren sich einen Dreck
für Vertrauensleute, Betriebsrat, Gewerkschaft, sie wollen nur noch fressen,
saufen, ficken.“ Und das ist Sabotage an Produktion und Fortschritt. Die
Angst, die der Ford-Streik den Gewerkschaften und Reformisten verursachte, beantworten
sie mit betriebsnaher Tarifpolitik, Schritten zur „Vermenschlichung“ des
Arbeitslebens und zur „Minderung der unmittelbar gegebenen Belastungen
und Dequalifizierungstendenzen“. Keine gewaltsamen Aktionen sollen die
Ausbeutung zerschlagen, ein „politisiertes“ Arbeiterwohlverhalten
wird die „antikapitalistischen Strukturreformen“ in Gang bringen.
Die Kapitalisten dagegen setzten auf Zeitgewinn, und dafür kam ihnen ein
befristetes Bündnis mit den Reformisten gerade gelegen. Noch im Herbst 1973
machten sie der IG Metall in Baden-Württemberg folgende Zugeständnisse:
Festschreibung maximaler Taktzeiten, 30 Minuten bezahlte Pausen in Schichtbetrieben,
abgesicherter Akkordlohn auf 125 Prozent im Betriebsdurchschnitt, Weiterzahlung
des Nettolohns bis 72 Wochen nach Arbeitsunfällen und Garantielöhne
für ältere Arbeiter. Das waren reale Zugeständnisse, die Reformisten
jubelten. Wenige Monate später konnte sich kein badenwürttembergischer
Metallindustrieller mehr richtig an diese Zugeständnisse erinnern. Jetzt
fordern die Reformisten bei jeder Massenentlassung, dass selbst die beschissensten
Arbeitsplätze erhalten bleiben müssen. So drehen sie ihre Fahne im
Wind, je nach Stand der kapitalistischen Entwicklung.
Bei den antireformistischen Gruppen scheint der einzige gemeinsame Nenner
in der Ablehnung der Reformlinie zu liegen, und das mehr im verbalen als in einem
praktischen Sinn. Die nichtdogmatischen Gruppen, die der Zeitung „Wir wollen
alles“ nahe stehen, sahen ihre vor einigen Jahren begründete Orientierung
am Widerstandsverhalten des „multinationalen“ Arbeiters der Massenproduktion
bestätigt. Dabei ist es leider auch geblieben. Keine dieser Gruppen hat
sich in den Widerstand der Proleten integriert und ihn militant Weitergetrieben.
Die K-Gruppen wurden dagegen nur sehr begrenzt durch die Arbeiterkämpfe
radikalisiert. Es kam nur selten vor, dass sie ihre an vergangenen und verlorenen
Arbeiterkämpfen orientierten Parteidoktrinen in Frage stellten.
Die in sich zersplitterte antireformistische Linke war aufgrund ihrer Schwäche
allenfalls zum agitatorischen Verhalten während des Arbeiterkampfes im Sommer
1973 fähig. Eine wesentliche Initiativkraft konnte sie nicht mehr sein,
obwohl gerade die undogmatischen Gruppen, Stadtteilinitiativen, roten und schwarzen
Hilfen und die Emigrantengruppen – beispielsweise das spanische Zentrum
in Essen – sich wesentlich stärker als die K-Gruppen mit den Emigranten,
den Arbeiterinnen und den proletarischen Jugendlichen verbunden fühlen.
Das Problem liegt also nicht so sehr im fehlenden Kontakt zwischen den sozialen
Widerstandsbewegungen und den antireformistischen Tendenzen, sondern mehr in
der Unfähigkeit, autonome Organisationsansätze zu schaffen, die als
Grundlage proletarischer Gegenmacht den offen und subversiv geführten Widerstand
ermöglichen.
Hier sehen wir den derzeit entscheidenden Ausgangspunkt bei der Diskussion
um die aktuellen Möglichkeiten von realer Gegenmacht.
Wirkliche proletarische Gegen macht ist bewaffnete Arbeitermacht!
Zwei Bewegungen – Rote Armee Fraktion und Bewegung 2. Juni – haben
bis heute versucht, sich an dieser Grundvoraussetzung praktisch zu orientieren.
Zur RAF
Als Offensivkraft ist der antiimperialistische Terrorismus der RAF durch
die Repression seit etwa zwei Jahren gefesselt. Wir anerkennen, dass die Genossen
der RAF als Partisanen der ersten Stunde die Trennung zwischen Person und Politik
aufgehoben und sich ohne Bausparverträge mit Risikodeckung für den
bewaffneten Kampf hier und heute entschieden haben.
Ihre revolutionäre Praxis und ihre Erfahrungen wiegen schwerer als zigtausend
Tonnen Papier, mit der viele Linke der RAF in den Rücken fielen. Ihre Bomben
in Frankfurt und Heidelberg waren die richtige Antwort zur richtigen Zeit. Gegenüber
dem Klassenfeind sind diese Genossen unsere Schwestern und Brüder und ihre
Vernichtung ist unsere Vernichtung. Deshalb kann die Kritik an der RAF auch nur
eine solidarisch-praktische sein: die Verwirklichung der bewaffneten Massenlinie
hier und heute. In den folgenden Punkten fassen wir unsere Kritik zusammen.
Der RAF fehlt die Orientierung an den Kampformen der am meisten Ausgebeuteten:
Frauen, Ausländer, junge deutsche Hilfsarbeiter. Eine praktische Auseinandersetzung über
die Verbindung des bewaffneten Kampfs mit militanten Proleten wurde von der RAF
nicht akzeptiert. Stattdessen machten sich die Genossen als revolutionäre „Geheimdiensttruppe“ stark,
die nur in den Befreiungsbewegungen der drei Kontinente ihre Basis sah. Ihrem
antiimperialistischen Konzept entsprechend wäre es besser gewesen, sich
einer Befreiungsbewegung der Dritten Welt anzuschließen und von dieser
konkreten Basis aus gegen die Metropolen zu kämpfen. So aber war die RAF
weder Fisch im Wasser noch Vogel in der Luft. Mit unterdrückten Randgruppen
oder den Linken wurde nur zusammengearbeitet, um neue Kräfte für den
antiimperialistischen Terrorismus zu gewinnen, nicht aber, um die unterdrückten
Klassenkämpfe in der Metropole selbst stark zu machen. Bis 1972 war dieses
Verhalten verständlich. Spätestens aber nach dem Sommer 1973 hätten
Auseinandersetzungen über den jetzt für jedermann sichtbar gewordenen
Arbeiterwiderstand geführt werden müssen.
Der Kampf muss aus dem alltäglichen Widerstandsverhalten kommen, mit
dessen Hilfe die Arbeiter mehr schlecht als recht unter dem kapitalistischen
Belagerungszustand leben. Nur von dieser Alltagssituation aus konkretisiert sich
jeglicher Widerstand. Wenn er stattdessen nur den imperialistischen Überbau
angreift, ohne in den Fabriken und Stadtteilen verankert zu sein, kann der kapitalistische
Staat ihn ohne große Schwierigkeiten mit rein polizeitaktischen Mitteln
einkreisen und vernichten.
Die Folge ist schließlich, dass am Aufbau einer Roten Armee gearbeitet
wird, die zunächst als Gerippe für sich steht. Die Bomben, die sie
schmeißt, hofft sie ins Bewusstsein der Massen zu werfen. Als ob die Entfaltung
des Massenwiderstands vorrangig eine Bewusstseinsfrage über die beschissene
Situation der Betroffenen wäre. Die revolutionäre Gewalt wird so zur
Aufklärung reduziert. Sie entsteht nicht aus den Kampf- und Unterdrückungserfahrungen
der Klasse und wird folglich auch nicht Mittel der Gegenmacht. Daraus ergibt
sich eine sympathisierende Zuschauerhaltung, solange die Gejagten nicht gefasst
werden, eine ohnmächtige Passivität bei der Auseinandersetzung zwischen
dem Terror des Staates und dem antiimperialistischen Kampf der RAF.
Auch im Gefängnis führen RAF-Genossen die Elite-Linie fort. Es
scheint so, als ob die verschärfte Einzelhaft extra ihretwegen erfunden
worden wäre. Der Justizapparat benutzt die verschärfte Einzelhaft gegen
alle proletarischen Gefangenen, die sich wehren. Es ist die Aufgabe der Folterkomitees
wie auch der RAF-Anwälte, sich für die vielen unbekannten proletarischen
Widerstandkämpfer genauso einzusetzen wie für ihre eigenen Genossen.
Das ist für die undogmatischen Roten und Schwarzen Hilfen immerhin selbstverständlich.
Die Kampagne, daher die Mobilisierung der Klassengewalt gegen Methoden der Vernichtungshaft
ist absolut lebensnotwendig. Die Verantwortlichen müssen am Schreibtisch
wie auch in den Haftanstalten zur Rechenschaft gezogen werden. Der Aufstand gegen
die Zuchthausbedingungen von innen und außen ist seit Jahrhunderten das
erste Zeichen der beginnenden Revolution.
Eine Alternative: Die Bewegung 2. Juni in Berlin
Während der Studentenbewegung entstand neben der RAF, weit weniger spektakulär,
eine zunächst militante, dann bewaffnete Bewegung. Jedoch im Gegensatz zur
RAF werden die bewaffneten Aktionen der Berliner Bewegung im Wesentlichen von
proletarischen Genossen bestimmt, sie fanden nicht bei der linken Prominenz und
im liberalen Bürgertum, sondern in ihrer sozialen Umgebung Unterstützung.
Aus den Haschrebellen und der proletarischen Subkultur formierte sich eine Gruppe,
die vor allem die Justizkampagne mit militanten Aktionen unterstützte und
vorantrieb. Über die Untergrund-Zeitung 883 agitierte sie für eine
organisierte Massenmilitanz und für Kommandoaktionen. So wurde zum Beispiel
1970 während des Einmarsches der US-Armee in Kambodscha noch in derselben
Nacht das von Bereitschaftspolizei bewachte Amerika-Haus in West-Berlin von 20
Genossen mit Mollis, Steinen und Stangen angegriffen. Wenige Tage später
aus der Massendemonstration heraus gingen die letzten Scheiben dieses imperialistischen
Kulturzentrums zu Bruch. Von den in die Demonstranten hineingetriebenen Polizeipferden
wurden zwei abgestochen. Den bewaffneten Bullen gegenüber verteidigten sich
die Militanten mit Steinen, Stahlkugeln und aufgeschweißten Eisenplatten.
Im Verlauf dieser Frühphase wurden die meisten illegalisiert. Über
drei Jahre versuchten die Genossen ein bewaffneter Teil der undogmatischen Berliner
Linken zu werden. Das Ziel war: im Rahmen antiimperialistischer Massenkampagnen
Einrichtungen vor allem der USA nicht nur symbolisch anzugreifen, sondern größtmöglichen
Schaden zu erzielen; und zweitens exemplarische Aktionen in Zusammenarbeit mit
undogmatischen Betriebs- und Stadtteilgruppen in den proletarischen Zentren Berlins
durchzuführen. Bei Zwangsräumungen, Entlassungen, Mieterhöhungen,
Betriebs-
in militanten und letztlich bewaffneten Widerstand umgesetzt werden. Obwohl
die Berliner Bewegung immer wieder von vielen Genossen solidarisch unterstützt
wurde, waren es gerade die Kontaktgenossen zu den Basis- und Betriebsgruppen,
die offensiv bewaffnete Aktionen in Fabrik und Stadtteil passiv verhinderten.
Sie sperrten notwendige Informationen zur Intervention, verpennten oder mussten
dringend verreisen. So wurde die Zusammenarbeit bei konkreten gemeinsamen Aktionen
unterbrochen und sabotiert. Die wenigen Flugblätter und Erklärungen
der bewaffneten Bewegung wurden zum Teil unterdrückt und noch nicht einmal
in der linken Presse veröffentlicht. Auf jeden Fall wollten aber auch die
Genossen jeden Pressewirbel vermeiden, solange es ihnen nicht gelang, den Widerspruch
zwischen Ziel und sichtbarer Praxis zu überwinden.
In diesem Zusammenhang ist es leicht zu verstehen, dass hauptsächlich
spektakuläre Banküberfälle das Bild über die bewaffnete Bewegung
in Berlin bestimmten. Auch bei konsequentem Sparprogramm benötigten die
Genossen Geld um handlungsfähig zu bleiben, aber ein Teil wurde auch an
die undogmatische Bewegung abgegeben.
Georg von Rauch wurde erschossen, viele Genossen wurden verhaftet, andere
gaben auf, einige versuchten sich durch Verrat freizukaufen. Trotz dieser folgenschweren
Rückschläge – die Infrastruktur der Gruppe wurde von den Bullen
mehrmals durch Verrat zerschlagen – gelang es der politischen Polizei bis
heute nicht, die Bewegung aufzureiben oder sie aus der Stadt zu treiben.
Ein Beispiel: im Herbst 1973 wurde die intensiv gesuchte Genossin na Siepmann
durch den Verrat von H. Brockmann verhaftet. In einer beispiellosen Kampagne
suchte die Polizei im Ghetto Kreuzberg nach einer konspirativen Wohnung. 25 000
Polizeiflugblätter, verstärkt durch Lautsprecherwagen, forderten zur
Denunziation auf. Eine anarchistische Stadtteilgruppe intervenierte mit Gegenflugblättern
und Wandparolen, die das Ziel des bewaffneten Widerstandes erklärten und
zur Solidarität aufforderten. Zwei Tage später schrieb der Tagesspiegel
von „Vier eingegangenen Hinweisen“. Die Wohnung wurde von den Bullen
nicht aufgespürt.
Festzuhalten ist: Die Bewegung 2. Juni wurde in einer Phase von antiimperialistischen
Massenkämpfen geboren. Sie hat zunächst versucht, aus ihrer politischen
Geschichte eine politische Perspektive zu machen. Sie hat dann aber erfahren
und gelernt, dass eine Guerilla mit aufklärerischem Konzept keine wirkliche
Verbindung zum Volk bekommt, wenn sie nicht von den täglichen nahen Konflikten
der Betroffenen ausgeht und versucht, daraus bewaffnete Gegenmacht zu entfalten.
Die Bewegung hat gelernt, dass nicht die linke Szene die revolutionäre Kraft
ist, sondern die Massenarbeiter, der Lehrling, die gefangenen Proleten, die rebellierenden
Frauen in der Fabrik und im Stadtteil. Es ist aber auch klar, dass die Bewegung
diese Strategie noch nicht hat sichtbar werden lassen, da sie es ablehnt, geringe
Ansätze mit großem Aufwand propagandistisch aufzublasen. Zusätzlich
ist festzuhalten, dass die Bewegung auch andere revolutionäre Aktionen,
die in bestimmten Situationen notwendig sind, zu verwirklichen versucht, so zum
Beispiel gegen Vertreter der reaktionären Justiz, gegen Verräter und
Agenten, wie auch gegen den Polizeiapparat. Der nach der Ermordung von Holger
Meins spontan durchgeführte Angriff auf die höchste Gerichtsinstanz
des Kammergerichtspräsidenten von Drenkmann gehört in diese Linie.
Die vielen Genossen, die über ihre Ohnmacht in der jetzigen Situation verzweifelt
waren, ermutigt weiterzukämpfen. Die Polizei besetzte die Stadt über
mehrere Wochen, sie sperrte Tag für Tag Straßen und observierte alle
Verkehrsknotenpunkte. Es gelang ihr trotz des Belagerungszustandes bis heute
nicht, die Genossen zu fassen. Trotz intensivster Propaganda konnte die Westberliner
Regierung nur 15 000 „Demonstranten“ zu einer Kundgebung auf
die Beine bringen – sie ist mit ihrem Staatsapparat und der Oberschicht
weitgehend unter sich geblieben, während die Bewegung 2. Juni in den Arbeitervierteln
10 000 Flugblätter verteilt hat.
Eine revolutionäre Gruppe, die beginnt, den bewaffneten Kampf aufzunehmen,
wird sich mit den Erfahrungen der Berliner Bewegung auseinandersetzen müssen.
Für die Verwirklichung der bewaffneten Massenlinie
Die Beschreibung der RAF und der bewaffneten Bewegung in Berlin zeigen, dass
im Rahmen der undogmatischen Linken eine echte konzeptionelle Alternative zwischen
antiimperialistischem Terrorismus und bewaffneter Massenlinie vorhanden ist.
Die Bewegung 2. Juni hat bis heute überlebt und aus dem Niedergang der außerparlamentarischen
Linken ihre Schlüsse gezogen: sie beginnt, sich am alltäglichen Widerstand
in den Fabriken und Arbeitervierteln zu orientieren. Sie bestärkt dadurch
eine Tendenz bei denjenigen, die sagen, dass die Revolte gegen Arbeitshetze,
Lohnabbau, Mietsteigerungen, Zwangsräumungen und gegen die Knäste eine
klare Massenperspektive besitzt. Wenn das Orwellsche 1984 nicht heute kapitalistische
Wirklichkeit werden soll, muss das den gesamten Lebensbereich umfassende Überwachungs-
und Disziplinierungsnetz an seinen wichtigsten Knotenpunkten zerreißen.
Die gegenwärtige Rückzugsbewegung wird erst dann zum Stehen kommen,
wenn es einer bewaffnet-proletarischen Bewegung gelingt, die soziale Befreiung
aller Unterdrückten unabhängig vom wirtschaftspolitischen Diktat der
Unternehmer und des Staates zu machen.
Die bewaffnete Massenlinie ist innerhalb der deutschen Arbeiterklasse geschichtlich
nachzuweisen.
Der roten Ruhrarmee, der mitteldeutschen Partisanenbewegung und den bewaffneten
Trupps der mecklenburgischen Bauern gelang es 1920, ganze Landstriche zu befreien.
Der mitteldeutsche Aufstand 1921 und der Hamburger Stadtguerilla-Aufstand 1923
sind nicht nur „heroische Kampfgeschichte“, sondern noch heute lebende
Erinnerungen einiger alter Arbeiter. Randgruppen der KPD erschossen in der Weimarer
Zeit zwei führende Polizeiexperten zur Aufstandsbekämpfung.
Der bewaffnete Kampf der multinationalen Zwangsarbeiter und junger deutscher
Proleten war selbst durch Straßenhinrichtungen nicht mehr aufzuhalten,
als sich 1943/44 der Widerstand massenhaft und gewaltsam verbreiterte. In Berlin
waren es illegale KPD-Gruppen, in Hamburg die Swing-Jugend, in Köln die
Edelweißpiraten, die in den zerbombten Städten und Arbeitervierteln
zum Teil mit Maschinenpistolen bewaffnet NS-Spitzenfunktionäre vertrieben
und erschossen, einige Quartiere befreiten und sich erbitterte Gefechte mit SS
und Gestapo-Einheiten lieferten. Für viele Proletarier ist es auch kein
Geheimnis, dass diese Art von Widerstand über das Kriegsende hinaus fortdauerte,
dass beispielsweise eine weiterexistierende Untergrundgruppe in Hamburg bis Mitte
der fünfziger Jahre mehrere Kriegsschiffe in den Häfen versenkte. Hier
ist die geschichtliche Linie lebendig, auf die sich heute bewaffnete Gruppen
in ihrem Kampf für die revolutionäre Arbeitermacht und die Zerstörung
des kapitalistischen Systems beziehen.
Entweder es gelingt, hier und jetzt, die bewaffnete Massenlinie resistent,
daher angriffs- und lebensfähig zu machen, oder aber Westdeutschland wird
erneut zur Metropole der Repression, die gemeinsam mit den USA das soziale Massaker
gegen die internationale Arbeiterbewegung und gegen die Befreiungsbewegungen
der Dritten Welt durchzusetzen hat.
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