Programmatischer Text
in bewegung bleiben
Bewegungskongress vom 3. bis 5. Juni in Berlin


Bewegungsarmut herrscht in unserer Zeit. Die radikale Linke ist marginal und es gelingt ihr nicht eine sozialrevolutionäre Perspektive zu entwickeln. Gleichzeitig werden die Angriffe von Staat und Kapital härter und die BRD „normalisiert“ sich immer weiter zur europäischen Führungsmacht.

Flankiert wird dieser Prozess von einem umfassenden Geschichtsrevisionismus, der es auch auf linksradikale Bewegungsgeschichte abgesehen hat. Dieser kommt sowohl in Gestalt historischer und psychologischer Abhandlungen daher als auch mit wachsender Häufigkeit auf medialer und kultureller Ebene mit verzerrenden und denunziatorischen Publikationen. So fällt zum Beispiel Jan-Philipp Reemtsma, in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung zu RAF-Mitglied nur noch SS-Mann ein. Gemeinsam ist allen Formen dieser Geschichtsrevision die Botschaft, dass die Infragestellung der herrschenden Verhältnisse und praktischer Widerstand dagegen sinnlos ist.

Mit dem Kongress „in bewegung bleiben“ wollen wir, der Denunziation von sozialrevolutionären Bewegungen etwas entgegensetzen und uns linksradikale Bewegungsgeschichte jenseits des herrschenden Diskurses von Distanzierung und Historisierung wiederaneignen.

In Auseinandersetzung mit Leuten, die in verschiedenen Zusammenhängen aktiv waren und es zum Teil noch heute sind, wollen wir die Entstehung von bewaffnet agierenden Gruppen im historischen Kontext der sozialen und antiautoritären Bewegungen ab den 60er Jahren, ihre organisatorischen Konzepte und ihre Praxis untersuchen. Wir wollen diskutieren inwieweit Kämpfe in anderen Teilen der Welt die Bewegungen und bewaffnete Gruppen in der BRD beeinflusst haben. Darüber hinaus soll es um die gesellschaftliche Verankerung dieser Gruppen und die Wechselverhältnisse zwischen bewaffnet agierenden Gruppen und sozialen Bewegungen, aber auch um die repressive Antwort des Staates auf die sozialrevolutionären Versuche gehen. Wir wollen Schwächen und Fehler und die Gründe des Scheiterns der Bewegungen versuchen zu analysieren.

Es gibt ein breites Bedürfnis, die gegenwärtig scheinbar so fest gefügten, Herrschaftsverhältnisse wieder in Bewegung zu bringen. Die Diskussionsprozesse um dieses Bedürfnis herum müssen die bereits gemachten Versuche und Erfahrungen umfassen. Befreiung und Klassenkampf haben in jedem Moment ihre Geschichte und ihre Kontinuität. Der Kongress ist ein Versuch dieses zu vermitteln.